Donnerstag, 13. Juli 2017

Der perfekte Song zum perfekten Zeitpunkt - Kritik: Baby Driver (2017)



Das ist doch großes Auteur-Kino. Edgar Wright, das Genie hinter der sogenannten Blood-and-Ice-Trilogie, der schon immer massiv unterschätzten Sitcom "Spaced" und der vermutlich besten Videospielverfilmung, die eigentlich einen Comic adaptiert, kann nach seiner Auseinandersetzung mit Marvel im Zuge der Regie bei "Ant-Man" es nun allen so richtig zeigen. Denn "Baby Driver" ist ein großer Wurf, kratzt bei Rotten Tomatoes an der 100%-Marke (was gewiss für einige ein Qualitätsmerkmal darstellt), und zieht jetzt schon Pläne von Sony zu einer Fortsetzung mit sich. Demnach scheint erstmal alles für den britischen Regisseur geglückt zu sein. Doch rundum vermag sein Heist-Action-Comedy-Hybrid nicht zu begeistern. Der Aufbau ist relativ genrekonform. Eine vierköpfige Bankräuber-Truppe startet umgehend ihren neuesten Raubzug, während der Fahrer (Ansel Elgort) im Wagen bleibt. Erst scheint er stoisch auf seine partners-in-crime zu warten, auf der Nase eine getönte Sonnenbrille, die seine professionelle Emotionslosigkeit noch zusätzlich unterstreicht. Dann beginnt seine eingelegte Kassette zu spielen und seine steife Wartepose zerbricht umgehend: Stattdessen werden das Lenkrad, die Fensterkurbel oder der Scheibenwischer zweckentfremdet, um genau dem Rhythmus des Songs zu entsprechen. Sobald die kriminellen Kollegen wieder mit Bargeld in den Wagen steigen, wird das musikalische Intermezzo zur wilden Flucht quer durch die Stadt - noch immer unterstützt vom eingelegten Song. Fast wirkt er autistisch in seiner präzisen Bewältigung des Straßenverkehrs. Kein Polizeivehikel kann mit ihm mithalten. Anschließend kauft er Kaffeebecher, nun mit Kopfhörern bestückt und noch immer der musikalischen Untermalung verpflichtet,  und bringt sie zum Versteck der Diebesbande. Hier erweist sich Doc (Kevin Spacey in einer für ihn allzu typischen Rolle) als das geistige Genie hinter dem Heist. Die Geldmenge wird gerecht aufgeteilt, nachdem einer der Beteiligten skeptisch hinsichtlich Babys Verhalten ist. Dieser verstaut seinen Anteil in einer bereits reichlich gefüllten Bodendiele und beschriftet zudem einen Kassettenmitschnitt von der heutigen Fluchtfahrt, die ebenfalls in einem Koffer mit vielen anderen landet. Er wohnt bei einem taubstummen alten Mann, der wohl so eine Art Pflegevater darstellt.



Bereits nach der Eröffnung wurde die Hauptfigur mit seinen wichtigsten Eigenschaften etabliert. Gezeigt wurde sein fahrerisches Talent, die unbeholfene Konversations(un-)fähigkeit und der Hinweis, dass er dies schon seit langer Zeit erfolgreich tut. Was folgt, sind ein Kindheitstrauma (das unangenehm pflichterfüllend seinen Zustand erklären muss), eine Romanze mit einer sträflich unterentwickelten Kellnerin (Lily James) und ein versauter Job mit Konsequenzen. Wie sich alles fortan im Plot entwickelt, ist absehbar und überrascht nicht wirklich. Dies gilt besonders für die langsame Abzeichnung des Antagonisten, der eine persönliche Parallele zu Baby aufweist. Um als Parodie der Genre-Versatzstücke zu funktionieren, ist "Baby Driver" selbst zu konventionell und regelrecht in ihnen gefangen. Darüber hinaus hat Wright mit "Hot Fuzz" streng genommen schon vor Jahren seinen Beitrag zum Genre geleistet, wenngleich jetzt nicht mehr ein Cop-Duo, sondern ein lonesome driver im Mittelpunkt steht. Dieser ist (von einigen quirks mal abgesehen) ein Archetyp in seiner Schweigsamkeit und Professionalität und steht somit in Tradition von Ryan O´Neals Figur aus Walter Hills "Driver" (für die jüngeren Leser lässt sich indes Ryan Goslings Figur aus Refns "Drive" nennen. You get the idea.). Exklusiv ist aber sein Verhältnis zur Musik, das überhaupt erst seine Gelassenheit bei den durchaus heiklen Fluchtfahrten ermöglicht. Diese ist auch im Schnitt des Films verzahnt und trägt zur adrenalingeladenen Form bei. Doch wenn alles so perfektionistisch zum Rhythmus (seien es die Drums oder ähnliches) passen muss, gerät das ungewollt show-offish. Wie hier jede noch so kleine Geste zu den (mitunter etwas verbrauchten) Songs passen muss, nervt auf Dauer dann doch. Es ist schwierig, zwischen Ego des Regisseurs und der eindrücklichen Form des in den besten Momenten spaßigen Films zu unterscheiden. Zudem sei die Frage gestellt, seit wann Wright von den lebensunfähigen (und daher grundsätzlich sympathischen) Slackern oder Nerds zu den musikaffinen Hipstern übergegangen ist? Denn irgendwie lässt sich "Baby Driver" eher zu den letzteren zuordnen. Wie dem auch sei, sein neuester Film ist vermutlich locker besser als das von Marvel eingeschränkte Produkt, das andernfalls bei herausgekommen wäre. Und irgendwie hat die künstlerische Freiheit doch immer einen gewissen Reiz. Von daher: Keep Driving, Edgar!

                                                                      6/10

Autor: DeDavid 

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