Samstag, 9. Juni 2012

Ländliche Zombie-Leckereien des Puppenspielers Romero - Kritik: Land of the Dead



»They´re trying to be us.« - »No, they used to be us. Learning how to be us again.« - Eigentlich hatte ich hierbei eher den Beginn oder den Neuanfang einer neuen Zombie-Trilogie oder gar Reihe von George A. Romero erwartet. Ohne jedes Vorwissen hätte man darauf gut schließen können immerhin bilden oberflächlich gesehen »Land of the Dead«, »Diary of the Dead« und »Survival of the Dead« die modernen drei Filme von Romero, die sich mit seiner favorisierten Thematik beschäftigten, dem Zombie. An sich klang es plausibel, Romero kehrt nach längerer Abstinenz aus den Schatten zurück und kreiert 20 Jahre danach (nach »Day«) ein völlig neues Projekt unter dem Mantel des Zombies, doch ähnelt für mich "Land of the Dead" aus dem Jahre 2005 eher einem großen Abschluss der regulären »Living Dead«-Reihe, auch wenn Romero dies als eigenständiges Projekt ansah, so sind die Parallelen und die Steigerung der Definition des Zombies nicht zu missachten oder gar zu verstecken.



Dabei beginnt Romero (wie schon in seinen Vorteilen) da wo er bereits vor 20 Jahren von der Definition aufhörte und entwickelt seine Fährte des Zombies konsequent weiter, nachdem er in »Day of the Dead« (85´) betonte, dass auch der Zombie lernfähig ist und dem Menschen doch letztlich gar nicht allzu ungleich. Anfänglich erläutert Romero nochmal die bisherigen Vorläufe, bevor er dann im geschickt inszenierten wie stimmungsvollen Einstieg zunächst einmal althergebracht referiert und sich selbst zitiert, wodurch er seinem Werk aber gleich von Anbeginn einen typischen Romero-Charme gibt, welcher in den ersten Momenten schon an »Night of the Living Dead« entsinnen lässt und einen Freund der Reihe wie mich sofort in seinen Bann riss. Schnell wird festgelegt, wohin und wie sein Ruder steuert - hierbei vereint er im dualistischen Sinne einen ironischen Unterton wie satirische Anleihen mit einer düsteren Zukunftsvision - so gekonnt wie damals schon. Romero hat insofern wohl wenig von seiner Energie verloren und neben seinen traditionellen und klassischen Formen, ergänzt er dabei auch eine überraschend erfrischende Erzählweise. Romero scheint verstanden zu haben, dass stets auf die Sehgewohnheiten des Zuschauers immer wieder aufs neue eingegangen werden muss, um das Publikum für sich zu gewinnen, sodass in aller erste Linie "Land of the Dead" wesentlich temporeicher und rasanter inszeniert scheint von Romero, wobei er dabei nie seinen Bezug zu seinen alten Formen verliert - ein Kunststück, was heutzutage nur noch wenigen Regisseuren gelingt dabei nicht ihre eigenen Wurzeln zu verraten. So versteht es Romero natürlich auch wieder die Entwicklung seines Zombies komplexe Züge verleihen und daran eine scharfe und ordentlich an geheizte Gesellschaftskritik anzubringen, was sich beim Zombie in Hinsicht der Evolution als Bildung einer Subkultur aufzeigt, sowohl mit Versatzstücken aus »Dawn of the Dead« als auch aus »Day of the Dead«, bezüglich der düsteren Dystopie, welchem Stil Romero hierbei erneut folgt und es so auch (intelligent) schafft die Vision einer verfallenen Gesellschaft aufzuzeigen, während der Zombie selbst nun dem Menschen immer näher tritt und beginnt zu erfassen und sich seine Waffen zu Nutze zu machen, wobei Romero nicht einmal in seiner absoluten Definition des Zombies vor einem metaphernreichen, historischen Kontext zurückschreckt, sodass etwaige Einfügungen in Hinsicht der französischen Revolution (als rationales Beispiel), kompakt verpackt mit den symbolischen Sturm auf die Bastille sicher nicht nur zufällig gewählt sind, sondern Romeros Konsum- wie Gesellschaftskritik im höchsten Maßen sprühen lassen.



Die Zombies bilden eine eigene Gemeinschaft, die sich organisiert. Ein weiterer Zerfall der Zivilisation. Eine Revolution, ein Aufstand der Zombies, die sich aufrichten gegen die Regierung, wobei selbst bei den Menschen ein gespaltenes System vorliegt, in der die Schere zwischen Armut und großen Reichtum immer weiter zu wachsen scheint. Über all dem thront Dennis Hopper als symbolischer, George W. Bush, als Herr der Stadt (fast mit Metropolis-Anleihe) Kaufman - korrupt, kühl, selbstgefällig, hinterhältig, subtil und vorzüglich verkörpert von Hopper, hierbei tritt besonders die Kritik an der Politik und die Konsumkritik in den Vordergrund, auch hier verweist Romero des öfteren auf »Dawn of the Dead«, obgleich er zu diesem gleichzeitig einen Gegenentwurf dazu kreiert. Anfangs jedenfalls, in dem er zunächst eine größere Gemeinschaft der Menschen beleuchtet, die er dann im Verlaufe zu einer Gruppierung entwickeln lässt. Wieder einmal bilden seine Charaktere so auch klischeehafte Abbilder der Gesellschaft - selbst nach Jahren schafft er es selbst die Frau (Resolut: Asia Argento - eine kleine Würdigung vor Freund und Helfer Dario) zu emanzipieren, wenngleich auch im modernen Stil - das Gruppenmotiv jedoch altbekannt und vertraut: Die Sicherheit des Überlebens, wodurch sich menschliche Zwischenkonflikte miteinbinden. Innovativ auch die Figuren zwischen Verantwortung, Treue, Paranoia und der Existenzangst und dem inneren Kampf des Verlustes, ob dies für Identifikationspotenzial reicht, dies seie jedem selbst überlassen. Es sind Protagonisten, die die Veränderung der Welt miterlebt haben und in dieser versuchen zu (über)leben, so der Meister selbst. Im Widerspruch dabei stehen die beiden Figuren des idealistischen Einzelgängers Riley (Underdog, souverän: Simon Baker) und des eigenwilligen Cholo (rebellisch: John Leguizamo), die beide unterschiedliche Ideologien der Veränderung vertreten um zu Überleben und sich ihre gemeinsamen Schicksale teilen. Romero weiß was er will. Andererseits ist es hingegen auch ein schmaler Grat, den er beschreitet, zwischen schwarzhumoriger Satire und düster wie finsterer Zukunftsvision, in welchem er sowohl eine fülle an Motiven der alten »Living Dead«-Filme vereint, als auch modernere Stilmittel miteinbindet, George weiß sich anzupassen.



So wird zwar schneller hantiert und Rasanz abgefeuert, was somit Romero Freiraum einräumt um radikaler und blutiger zu Gange zu gehen, um die heutigen Sehgewohnheiten zu unterstützen. Aber genauso um seinen Zombie auch wieder ernsthaft blutrünstig zu zeigen, womit er immer noch beweist, dass er nicht umsonst als lebende Legende gilt und sein Film selbst auf völlig neuen Ebenen funktionieren mag, wenn auch kleine, kontinuerliche Schwächen im Nachhinein Einzug gewinnen könnten. Zudem zeichnet er insgesamt seinen Zombie (Absolute Bezeichnung: Walker) wesentlichen ambivalenter zwischen unterdrücktem Außenseiter (Sympathen) und Bestie, endgültig bricht er mit dieser Konvention. Zynisch wie auch ironisch zugleich wie Romero erneut mit all jenem abrechnet, natürlich bitterböse mit der Gesellschaft ohne dabei die Nähe zu seinem Publikum zu scheuen und frische Leichen serviert und sogar Humor beweist (Edgar Wright und Simon Pegg im cleveren Gast-Zombie-Auftritt), die Masken sowieso handwerklich sauber und sogar mit rabiat-zombigen Tom Savini im referierenden Gastrolle, Romero lässt nochmal auf »Dawn of the Dead« besinnen - eine Seltenheit! All jenes macht nun also Romeros "Land of the Dead" zu einem für mich überraschend gelungenen und geschätzten Teil der absoluten Gestaltung von seiner »Living Dead«-Reihe, mit welchen Meister George A. Romero nicht nur gekonnt an alte Zeiten anknüpft, sondern auch beweist wer immer noch der Herr und Puppenspieler der Zombies ist. Nämlich er.


8.0 / 10

Autor: Hoffman





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen