Mittwoch, 15. März 2017

Sag ja zu Nostalgie - Kritik: Trainspotting (1996) & T2: Trainspotting (2017)

Trainspotting (1996) 



Danny Boyles zweites Werk nach seinem morbiden "Shallow Grave" ist binnen kürzester Zeit zum (Vorsicht: Triggerwort:) Kultfilm avanciert. Ein Kultfilm über eine Gruppe Junkies in Edinburgh, die sich ihren Lebensunterhalt mit kleinkriminellen Machenschaften verdienen, um möglichst unkompliziert an den nächsten Schuss zu gelangen. Die fünfköpfige Gruppe besteht aus den Mittzwanzigern Mark Renton (der einst junge Ewan McGregor), Spud (der äußerlich am stärksten von seiner Sucht gezeichnet sein dürfte), Sick Boy (toller Spitzname), Begbie (der zwar von Drogen seine Finger lässt, aber dafür an der Flasche hängt) und dem fast schon zu schönen Tommy. Porträtiert wird der Alltag der Wracks auf eine Weise, die keine Dämonisierung ihrer Tätigkeiten zulässt. Ist Irvine Welshs Roman noch in seinem schottischen Slang eine schwer zu lesende (und deshalb so reizvolle) Vorlage, die keinen Zweifel an der Kaputtheit ihrer Figuren zulässt, driftet der Film in eine andere Richtung. Der Lebensgeist und Enthusiasmus ist regelrecht zu spüren, da Boyle die ganze Palette an Stilmitteln abdeckt und mit gekonnter Musikuntermalung, schnellen Schnitten und regelrechten Farbexplosionen seine Herkunft als Videoclipregisseur nicht verhüllt. Vielleicht ist es auch die amoralische Haltung des Films, die den entweder aufklärerischen Drogenfilmen (wie Reefer Madness) oder desillusionierenden Charakterstudien (Der Mann mit dem goldenen Arm) entgegen gehalten wird und somit den Grund für die Verkultung liefert. Dem steht auch das Ableben einiger Figuren oder das zweitunheimlichste Baby der Filmgeschichte (nach Eraserhead) nicht im Weg. Aber wer kann diesem Esprit schon ernsthaft böse sein und will nicht in der versieftesten Toilette Schottlands nach der Glückseligkeit tauchen?

                                                  8/10





T2: Trainspotting (2017)


Ein Sequel war seit der Entstehung des Romans "Porno" von Welsh beschlossene Sache. Jedoch vereitelten vielbeschäftige Pläne der Darsteller und diverse Drehbuchentwürfe die erwünschte Adaption. Statt zehn Jahren sind nun eben zwanzig vergangen. Renton kehrt nach einem Herzinfakt in seine Heimatstadt zurück und besucht seine ehemaligen pals, von denen besonders Begbie auf ein Wiedersehen aus ist (und sei es eben nur, um Rache auszuüben). Jünger ist sie also nicht geworden, die Clique. Die Rauschmittel sind streng genommen passé. Nun versuchen sie, ihre menschlichen Bindungen zu vertiefen. Am rührendsten fällt hierbei das Schicksal von Spud aus, der nach einem Suizidversuch die Erlebnisse zu Papier bringt und unbedingt seinen Sinn im Leben sucht. Die Aufzeichnungen sind nur eine von unzähligen Verweisen auf den Vorgängerfilm. Boyle zeigt sich völlig besessen vom Kult: Rückprojektionen, Anekdoten, die selben Schauplätze, Darsteller, Songs (mit Variationen) müssen allesamt hinein. Nichts darf fehlen. Zumindest wird ebenso thematisiert, dass erzwungene Nostalgie auch zum Stillstand führen kann. Diesbezüglich bewegt sich T2 in Metabereiche, die er aber auch nicht für sich gewinnen kann. Es fehlt eine eigene Identität: Ohne Trainspotting kann er unmöglich für sich stehen. Diese Abhängigkeit ist nicht allzu schlimm, denn sie führt zu lustigen, selbstreflexiven Momenten (der Besuch der Highlands, die Erwähnung Baby Dawns, Kelly Macdonalds Auftritt). Doch insgesamt sind unsere nun (cleanen) Junkies ziemlich bieder geworden in ihren Vater- und Unterstützerrollen. Man wird halt auch nicht jünger. [sic!]



                                                                         5/10

Autor: DeDavid

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