Mittwoch, 24. September 2014

Was machte ihn zu Jesse James? - Klassiker der Extraklasse: The True Story of Jesse James - Rächer der Enterbten (1957)




Nick Ray geht noch einen Schritt weiter in seinem Schaffen (und damit einen Schritt zurück in der Geschichte), denn »The True Stoy of Jesse James« ist eine Demontage eines amerikanischen Mythos. Hier möchte Ray die wahre Seite dieses berüchtigten Gesetzlosen zeigen, wie es auch schon der Titel behauptet. Gleich zu Beginn inszeniert Ray hier einen feurigen Banküberfall, es herrscht Verwirrung und Eile. Jesse und Frank James werden gesucht, gejagt und verfolgt. Sie sind auf der Flucht. Es herrscht schon zu Beginn wieder eine beharrliche Ruhelosigkeit in Rays Werk. Dazwischen fragt sich ein Reporter: Was machte ihn zu Jesse James? Ray untersucht diesen Mythos und den Menschen (= bei Ray: Jugendlichen) dahinter, seine Figuren erinnern sich, wenngleich er in dieser Hinsicht auch vom Studio eingeschränkt wurde, welches die Rückblenden nochmal deutlich für den Zuschauer hervorhob, während er fließende Übergänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit in seinem Film schaffen wollte. Ray wollte nicht versuchen zu erklären, er wollte Strukturen auflösen, um seinen Mythos zu entfalten. Jedoch auch selbst mit diesem Dämpfer werden hier Gegenwart und Vergangenheit gegenübergestellt.



Ray wirbelt Staub auf in seinen Bildern und lässt sie geerdet-sanft ebenso im Cinemascope entfalten. Jesse James (Robert Wagner) ist bei Ray kein Robin Hood, sondern eigentlich ein verlorener und streunender Junge, der gar nicht erwachsen werden wollte, aber der ein Mann werden musste. Ein Junge, der ein Mädchen (Hope Lange)  heiratete und von einer Zukunft träumte und der dann durch amerikanischen Bürgerkrieg (innerlich) gezeichnet und verletzt wurde. Ein Junge, der damit zum wütenden Rebell wurde. Der zunächst Überfälle plante, um das Land und die Farm mit seiner Bande zu sichern. Einer, der schlau plante und bald zum Gejagten wurde, der dennoch immer noch von einem eigenem Heim träumte und große Ambitionen von einem schönen und behaglichen Leben hatte. Er wollte ein Familienleben führen, doch er konnte nicht. Die Wut machte ihn zu einem leichtsinnigen Rebellen. Der Tod gehörte mit zu seinem Geschäft. Er konnte nicht mehr zurück. Er konnte nicht mehr aufhören. Sein Name erlangte Ruhm und Bedeutung. Der Tod zog ihn scheinbar an. Der Tod war sein ständiger Begleiter. Die Flucht vor der Gesellschaft trieb an. Sein Bruder Frank dagegen ist Jesse´s Gegenpol. Er denkt weitsichtiger, kann letztlich das Unabwendbare aber auch nicht abwenden. Nick Ray erzählt seinen Western über Jesse James kurzweilig und bewegt sich gezielt auf dessen Scheitern zu, in der Vergangenheit bis zum Beginn des Überfalls und in der Gegenwart bis zum (sterblichen) Ende der Legende, bis es zu spät ist, um Frieden zu finden und die Idylle vom trauten Heim und der familiären Geborgenheit nur für einen kurzen Moment existieren kann. Eine Ballade zementiert den Mythos von dem Jungen, der zum Gesetzlosen wurde, weil es die Öffentlichkeit so wollte, weil er sich ehrgeizig auch so präsentieren musste und weil es sonst keinen anderen Ausweg gab.


7.0 / 10 

Autor: Hoffman 

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