Mittwoch, 16. März 2016

Zu zweit verloren in einer fremden Metropole - Kritik: Lost in Translation (2003)



In gewisser Weise hat mich "Lost in Translation" bei der letzten Sichtung an Filme wie "Blade Runner" erinnert: eine Metropole, in der ein Individuum schnell untergeht; Dominanz der asiatischen Kultur; zwei Menschen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten, finden zusammen; usw... Natürlich erscheint es ein wenig weit hergeholt, diese zwei Filme miteinander zu vergleichen, doch in ihrer Wirkung fand ich persönlich sie doch sehr ähnlich. Beide erzeugen eine sehr melancholische, fast schon deprimierende Stimmung, aber trotzdem sind sie sehr schön gefilmt und gespielt, und ein Genuss für die Augen.

Egal: Bill Murray gibt den - scheinbar - gescheiterten Schauspieler in der Midlife Crisis, der nach Japan fährt, nur um Werbung für Whisky zu machen. Fast schon wie ein Protagonist aus einem Film noir. Da darf natürlich so etwas wie eine Femme fatale nicht fehlen; hier verkörpert durch die sehr junge Scarlett Johansson, als Ehefrau, die noch am Anfang ihres Lebens steckt, doch auch nicht wirklich weiß, was sie machen soll. Diese beiden tragischen Figuren treffen in den Wirren der japanischen Hauptstadt und Weltmetropole, Tokio, aufeinander. Äußerlich mögen sie völlig unterschiedlich sein, und die ganze Handlung wirkt auf den ersten Blick etwas... Nun ja.... Pädophil. Doch "Patentochter" Coppola gibt ihre wahre Ambition nicht preis. Sie zeigt nur zwei verlorene Seelen, die sich über den Weg laufen, und sich einfach brauchen; ob diese Begegnung von sexueller oder romantischer Natur sein soll, bleibt unklar. Und das macht für mich auch den Reiz an diesem Werk aus. Es bleibt unklar, was die zwei Protagonisten eigentlich wollen. So überwiegt bei mir mehr die Faszination an der Geschichte von zwei Menschen, die sich vielleicht nie wieder sehen werden, aber die Zeit miteinander einfach genießen, und sich in eine Odyssee durch eine fremde Metropole stürzen. Flucht vor der Einsamkeit, Flucht vor den Problemen, Flucht vor dem Kummer, Flucht in die Freiheit.



Coppola stellt zur Verdeutlichung der Einsamkeit der zwei Protagonisten Tokio als etwas wirklich Fremdes dar: die Menschen sprechen kein Englisch bzw. nur sehr klischeehaft schlecht; überall grelle Lichter, Spielautomaten, Nachtclubs, kaum ein Ort, an dem man nicht alleine und für sich ist. Die ziemlich überspitzte, klischeehafte Darstellung der Tokioter mag nicht jedem gefallen, was ich verstehen kann - mir gefällt so etwas in der Regel auch nicht. Doch hier sollte man es meiner Meinung nach mehr als Mittel zum Zweck auffassen, ohne das der Film niemals diese Wirkung des verloren seins entfalten könnte. Coppola untermauert dadurch schlicht die Verlorenheit der Zwei in einer wirklich fremden Stadt, in der sie nur zu zweit so etwas wie Glückseligkeit empfinden können.
Diese Mischung aus Fremdheit, Melancholie, Sehnsucht und Freiheit macht "Lost in Translation" für mich einfach zu einem wunderschönen und tollen Filmerlebnis, das ich immer wieder gerne erleben kann.


8 / 10

Autor: MacReady

2 Kommentare:

  1. "Lost in Translation" ist eigentlich sogar mein Lieblings-Coppola (also Sofia). Obwohl "Somewhere" auch eine eigene wunderbare Eleganz entfaltet. Aber ich mag ja generell Coppolas filmischen Output sehr gern.

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  2. Johansson sucht aber auch ganz gezielt die Ablenkung und die "grellen Lichter" und nicht den Raum für sich allein (das Hotelzimmer). Für mich versinnbildlicht die Darstellung Tokios die Geschwindkeit im Gegensatz zu den Protagonisten, die in der jeweiligen Lebensphase feststecken; ausgebremst. Die Darstellung der Japaner stört mich auch immer wieder, ich versuche mir das immer damit zu erklären, dass sie Teil des Showbiz sind und dass sich Coppola in erster Linie darüber lustig machen will (wie in "Somewhere"). Aber einen gewissen überheblichen Blick aus der Perspektive des Westens kann man sicherlich nicht abstreiten.

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