Mittwoch, 17. Februar 2016

Shakespeare im Gewand von »Walhalla Rising« - Kritik: Macbeth (2015)


Eigentlich könnte man fast meinen, würde man es nicht besser wissen, dass die neuste Verfilmung von Shakespeares »Macbeth« von Justin Kurzel, die auch wieder bei den Dialogen treu der Vorlage folgt, auch hätte von Nicolas Winding Refn hätte stammen können, denn unübersehbar schwingt in Kurzels »Macbeth« auch noch die düstere und irgendwo auch mystische Stimmung eines »Wahalla Rising« mit und das nicht zu kurz. Kurzels Version von Shakespeares Geschichte zeichnet sich vor allem als audiovisueller Film aus, ein Film, der ein ästhetisches Zusammenspiel aus Bildern und Klängen arrangiert. Sein Film arbeitet - besonders in seinen bemerkenswerten Kämpfen, die wie Schlachtengemälde anmuten - mit extremer Stilisierung des Geschehens und der Gewalt, die Zeitlupe steht der Geschwindigkeit gegenüber. Das Ganze wirkt somit auch ritualisiert, von den schmutzigen Kämpfen, in denen sich die Figuren auch mit Kriegsbemalung rüsten für die Schlacht bis zur Musik. Die Inszenierung ist geradezu überhöht, findet damit aber auch kraftvolle und markante Elemente, um der Vorlage noch einmal neue Bilder abgewinnen zu können.



Denn Macbeth ist hier - so wie es wohl auch bei Refn gewesen wäre - deutlicher denn je ein Krieger, ein Mann des Krieges, von den man weiß, dass die Kriege und Kreuzzüge ihn verroht haben. Der Krieg scheint sein Lebenssinn zu sein. Denn seine Augen, das sind die Augen des Krieges, Augen, die nicht vergessen können und die das (unterschwellige) Trauma der Figur begründen. Michael Fassbender gibt diesen Macbeth lakonisch (in dem Sinne, in dem das die Sprache Shakespeares überhaupt zulässt), in sich gekehrt, verschlossen und stoisch. Seine Frau (Marion Cotillard) ist dagegen eine Verführerin, die diesen (passiven) Mann zunächst dazu überreden muss (= mit ihm Sex haben muss), um ihn von seiner Mission, den König Duncan zu töten, zu überzeugen, um selbst König zu werden. Aber auch sie leidet unter einem Trauma, dem Verlust eines Sohnes. Umso interessanter ist es auch später zu sehen, dass es Lady Macbeth ist, die, als ihr Mann die Macht ergriffen hat, in die Opferrolle von ihm gedrängt wird. Dann ist sie nicht mehr die Souveräne, sondern beginnt ihren Mann zu fürchten, ihn als Gefahr für sie zu sehen (immerhin bedroht er sie unterschwellig mit einem Dolch, das er auf - natürlich symbolisch zu verstehen - ihren Bauch richtet). Er wird zum Tyrannen, der sogar eine Art Hexenverbrennung vor seinem gesamten Volk vollführt, eine Hinrichtung gegen Frau und Kinder seiner Widersacher und jeder kann es sehen. Dieser Film - und damit wären wir erneut bei Refn - ist auch ein Werk über Männlichkeit, über Väter und Söhne (denen am Ende des Films Kurzel noch einmal einen markanten Epilog mit seinen originellen Bildern schenkt), über Väter, die ihre Söhne (oder im Falle Macbeths: Ihre im übertragenen Sinne Söhne. Denn markant scheint, dass Macbeth einen mysteriösen Jungen zu Beginn zum Kampf vorbereitet, der im Kampf stirbt, aber immer wieder in Macbeths Wahnvisionen auftaucht) verloren haben oder an ihren Söhnen hängen. Und die Jungen wiederum müssen (besonders das Ende scheint das zu belegen) zu Männern werden und das Werk ihrer Väter weiterführen. Es scheint wie ein endloser Kreislauf aus Leben und Sterben, Krieg und Tod, aus denen sich die Figuren scheinbar nicht (mehr) lösen können.



Die Welt, in der diese Figuren leben, ist auch eine archaische, mag das Christentum auch schon deutlich in dieser Welt Einzug gehalten haben. Es gibt ein einziges Schloss im Film, sonst bestehen die Behausungen von Macbeth und seinen Leuten aus (durchaus ansehnlich eingerichteten) Zelten oder Baracken. Sie wirken damit wie Nomaden, wie Wanderer, wie Heimatlose, die von einem Ort zum nächsten ziehen, vielleicht nicht mal das Wort Heimat kennen. Die Szenerie spielt in der schottischen Landschaft, die eingehüllt ist von Nebel. Es liegt dabei eine erfrorene Gewalt in dieser Landschaft, die von einem kühlen Wind durchzogen wird. Mit dieser unbarmherzigen Umwelt scheinen sich die Figuren abgefunden zu haben, scheinen ein Teil von ihr zu sein. Es ist ein wahrlich rauer und knurriger Film, in dem Ernst und Schwermut das Geschehen tragen und die kraftvollen Naturbilder dazu bedeutungsschwer sind. Das Archaische ist durchweg präsent. Kurzels geradlinig geschilderter Film ist damit auch ein veräußerlichter Film, dessen Emotion darauf basieren wie (und in diesem Fall vornehmlich durch das audiovisuelle) er den Inhalt vermittelt.


6.5 / 10

Autor: Hoffman 

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