Mittwoch, 25. Mai 2016

Short Cuts: Märchen-Erzählungen


Schneewittchen - Snow White: A Tale of Terror (1997) 


Raben, Schnee, kalte Wälder, wiehernde Pferde, gierige Wölfe und am Ende fließt über den weißen Schnee das rote Blut. Das ist eine treffende Einleitung, die leider für lange Zeit ein Höhepunkt dieses Fernsehfilms darstellt, der vorerst einmal schmuckvolle Biederkeit bei der Ausstattung ausstrahlt (und das tut er tatsächlich!). Leider ist Snow White ein (tatsächlich) blasses Gesicht, das ihrer Rolle kein Leben einhauchen kann, überhaupt sind die Figuren - bis auf Weavers tragisch-finstere Figur, deren Passion zum Spiegel hier man sogar als Wahnvorstellung interpretieren kann - sehr dürftig. Interessant ist immerhin der Ansatz, die eigentlichen Zwerge, die keine sind, nacheinander aus der Handlung zu schmeißen. Der Fernsehfilm wandelt die Vorlage des Märchens in eine grimmige Gothic-Variante mit einigen Schauerlementen, die besonders gegen Ende - erfreulicherweise - drastisch zunehmen. Der Anfang des Films ist noch recht zahm, eher unmotiviert, vornehmlich ist er aber eher ernst und düster in seinem Ton veranlagt, erreicht im letzten Drittel sogar eine gespenstische Note. Als Film bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten, wirkt teils doch etwas spartanisch (und sieht auch so aus), was wohl dem Fernsehformat geschuldet ist.


6.0 / 10




A.I. - Artificial Intelligence (2001)


Spielberg verfilmt nichts anderes als die Pinocchio-Geschichte, die er in eine Zukunft verlegt, die irgendetwas zwischen Utopie und Dystopie ist und für den Zuschauer unerforscht bleibt, weil sie nur sehr vage skizziert wird, weil Spielberg in dem zweiten Akt seiner Geschichte förmlich über die Settings hinweg fliegt, geradezu gehetzt auf sein Ziel zusteuert, sich nicht die Zeit für einen Überblick gönnt. Demnach sind es auch nur einzelne Eindrücke, die schließlich von dieser Welt hängen bleiben, meist nur wenige Sekunden, die dieses Gefühl des Staunens vor dieser futuristischen Welt vermitteln (In meiner Erinnerung war Rouge City von Spielberg als Beispiel ausführlicher geschildert worden).



Es ist ein märchenhafter Film, der dieses Element des Märchenhaften auszuleben versucht, dabei sogar düstere Züge in der Geschichte offenbart (das Fleischfest und der aufgehende Mond). Es ist ein Film zwischen aseptischer Kälte (Anzeichen, Einstellungen, die besonders zu Beginn immer wieder Kubrick nachempfunden scheinen) und emotionalen Kitsch, der sich in der Familiengeschichte findet, das Herz pochen lässt, gefühlsbetont arbeitet, eben das, von dem Spielberg nicht lassen kann, das hier sogar zu etwas schmerzhaft herzzerreißenden (wunderbar ambivalenter Begriff) wird. Das Ende gefällt mir nach wie vor nicht. Das ist im Grunde ein Schuss Harmonie zu viel für mich. Auch mit den Aliens, die halt klassische Spielberg-Aliens sind, werde ich nicht warm. Hier zeigt sich für mich am deutlichsten die These, dass Kubrick Fragen stellte und Spielberg schlichte Antworten gibt. Aber trotzdem muss man sagen, dass Spielbergs Film spannend ist, weil er immer wieder besondere Szenen und Augenblicke findet auf seiner abenteuerlichen Odyssee, die eigentlich viel zu kurz ist, etwas zu oberflächlich skizziert bleibt, Magie aber nichtsdestotrotz transportieren. Man wünscht sich einfach, dass der zweite Akt mehr bieten würde, von dem, was er andeutet, aber nicht ausführt. Denn dieser Film wird weniger von der (schalen) Entwicklung getrieben, sondern mehr von der Neugier, die in den einzelnen Szenen liegt, der Neugier, die auch in den Augen eines Kindes liegt, das Spielberg als seinen Protagonisten benutzt. Diese Film ist schlichtweg holperig, der dritte Akt hat einen unbefriedigenden Nachklappcharakter, vielleicht auch, weil der Film damit viel zu früh zur Ruhe kommt, in die Entschleunigung und aus dem Abenteuer geht. Dieser Film schwankt, ist faszinierend, aber man wünscht sich einfach, dass er besser geworden wäre.

6.5 / 10





Ich seh, ich seh (2014)



Es ist ein mysteriöser und rätselhafter Film, trotz seines relativ durchsichtigen Spiel mit den Zwillingen. Aber gerade durch die Durchsichtigkeit in Hinsicht dieses Aspektes der Geschichte, richtet er den Fokus des Zuschauers auf etwas ganz anderes. Denn dann bemerkt man, die fraglichen Details, die in dieser Welt verteilt werden. Das Regie-Duo Veronika Frank und Severin Fiala findet nämlich in dem eigentlich Alltäglichen etwas rätselhaftes, das zunehmend abnormal und abseitig erscheint. Der Film ist in drei Akte eingeteilt, die jeweils von einer Schwarzblende markiert werden. Der Film dreht sich im Kern um Schein und Sein (Themen, die so alt sind wie das Kino [beziehungsweise bei weitem sogar noch älter in der Kunstgeschichte] und indirekt auf die Anfänge des Kinos verweisen, wie »Der Student von Prag«), um Doppelgänger und Identität, ist konzentriert inszeniert, ist kammerspielartig angelegt durch seine Beschränkung auf das isolierte und sterile Landhaus in der Natur, in dem die Familie haust, eine Familie, die aber nicht mehr intakt ist. Der Film macht durchaus auch den Eindruck eines klinischen Labors, in dem sich die Figuren bewegen. In dieser Ruhe, die der Film für sich aufgreift, liegt etwas, das einen wiederum beunruhigt, denn der Film hat etwas märchenhaftes, etwas unwirkliches und damit auch unheimliches. Denn es ist auch ein Film, in dem die Figuren Geister sind, umherwandernde Geister. Der Film ließe sich demnach auch ideal als boshafte Dekonstruktion eines Märchen(film)s verstehen, deren Elemente er schon allein in Prolog und Epilog hervorkehrt, in denen er von der scheinbaren und wie immer trügerischen Idylle erzählt. Daneben wirft der Film aber (hier kommt nun Ulrich Seidl als Produzent und Ehemann von Veronika Franz besonders zum tragen) einen kurzen, durchaus satirischen Blick auf Österreich und seine Bewohner (die Szene mit den zwei Mitarbeitern vom Roten Kreuz hätte man gewiss so auch in einem Seidl-Film finden können, weitere Szene, die in diese Kerbe schlagen und von der österreichischen Gesellschaft erzählen, wurden für die finale Fassung herausgenommen, scheinbar, um die Fokussierung mehr noch auf der Familie zu belassen und das Isolationsthema nicht abzuschwächen) . Das letzte Drittel erinnert zwangsweise an Hanekes garstigen Funny Games, scheint sich durch die Deformation des Körpers auch zum einem subtilen und schmerzhaften Terrorkino hingezogen fühlen. Das ist ein böser, kleiner Film aus Österreich, der mir manchmal nur etwas zu plump mit seinen Hinweisen war.

7.0 / 10



Autor: Hoffman 

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