Donnerstag, 29. September 2016

Bradbury trifft auf Disney - Kritik: Das Böse kommt auf leisen Sohlen (1983)


Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man die von Disney produzierte Verfilmung von Ray Bradburys gleichnamigen Roman betrachtet. Vorerst sei aber festgehalten, dass es sich bei diesem Werk um einen geradezu altmodischen Film eines alten Regisseurs (Jack Clayton, der seinen größten künstlerischen Erfolg mit »The Innocents« in den fünfziger Jahren feierte; einem Film, der ihn durchaus als Regisseur dieses Films prädestinierte) handelt. Clayton kreiert hier ein kleines Universum, das durch ein Voice-Over eingeleitet wird. Der Film zentriert sich auf eine Kleinstadt, die aber nur sehr grob dargestellt wird, vornehmlich durch ihre »Main Street«, welche den Verbindungsort für die meisten Schauplätze des Films darstellt. Der Film beginnt harmonisch, führt gemächlich, aber liebenswert in diese Welt ein, die vermutlich in den dreißiger Jahren angesiedelt ist. Es herrschen Leichtigkeit und Naivität am Anfang dieses Films. Es ist dabei auch ein Film, den man von seinem Beginn an eine sanft-nostalgische Künstlichkeit in seiner gesamten Studiokulisse attestieren kann. Das mag antiquiert sein, aber es ist gerade dieses Antiquierte, was dem Film heute so eine wunderbar gestrige Schönheit und Behutsamkeit verleiht.


Im Zentrum des Films stehen zwei gegensätzliche Jungen, zwei Freunde, Will Halloway und Jim Nightshade (mit zwei Darstellern besetzt, die gerade in Relation zu der Vorlage doch etwas sehr jung erscheinen mögen). Als ein Jahrmarkt eines Oktobertages in die Stadt kommt, verkünden die Wolken bereits Unheil. Der Karneval unter der Leitung des sinisteren Mr. Dark (Jonathan Pryce), eines illustrierten Mannes, verspricht den Bewohnern der Kleinstadt die Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte, stürzt sie aber in ihr Unglück. Seine Vorlage kürzt der Film, dessen Drehbuch Bradbury selbst verfasste, dabei geradezu drastisch und strafft sie, um die wesentlichen Punkte der Geschichte anzusprechen. Folglich kann der Film, der trotz einer bedachtsamen Inszenierung seitens Clayton gehetzt wirkt, diese nicht richtig ausfüllen. Der Film wirkt in seiner Verknappung (jeder, der den Roman gelesen hat, dürfte außerdem rasch auf die Idee kommen, dass der Film vor seiner Veröffentlichung scheinbar mehrere Schnittversionen hinter sich gebracht haben muss, da er in narrativer Hinsicht oft einige fragliche Sprünge vollzieht und das Ende in dieser Hinsicht schlichtweg als komplett diffus zu bezeichnen ist) oft auch ruckartig, wenn nicht sogar plump. Natürlich muss man dem Film auch zugestehen, dass er andere Wege beschreiten will, weil er sich nicht nur (anders als die Vorlage) auf die Dreiecksbeziehung von Jim, Will und dessen Vater fokussiert, sondern vielmehr an einem kleinen Sammelsurium von Kleinstadtbewohnern interessiert ist, die in die Fänge des unheimlichen Jahrmarktes geraten. Diese Figuren hält der Film aber auch so knapp wie möglich, hat überhaupt keine Zeit sich näher mit ihnen zu beschäftigen, mag er auch kurz in ihre Perspektive wechseln.


So bleiben diese vielen Figuren vom Barbesitzer bis hin zur Lehrerin eher Stichwortgeber. Der Film findet demnach kaum Zeit sich auf seine Protagonisten einzulassen, was teilweise sogar seine Protagonisten trifft, bei denen der Film aber noch bemüht ist ihnen in einzelnen Momenten eine tiefere Facette zu geben (exemplarisch kann hierfür der Moment dienen, in der Will und sein Vater in der Nacht vor dem Haus sitzen und über das Altern sprechen; eine Szene, die Intimität vermitteln soll, weil Clayton sie in Nahaufnahmen von den Gesichtern der Darsteller auflöst). Der Film muss demnach vieles über Bilder vereinfacht erklären, wo der Roman in Hinsicht dieser Figuren oft vage blieb. Als Verfilmung des Romanes muss der holperig erzählte Film demnach auch als Enttäuschung bezeichnet werden. Zum einem insbesondere, weil dieses Werk als Kinderfilm von Disney konzipiert wurde. Zwar zeigt der Film zeitweise eine Lust am Mysterium und Geheimnisvollen, den leisen Grusel hält der Film aber sehr seicht, vor allem auch die Wesen des Zirkus in Bradburys Roman wirken doch hier mehr einem albernen Kostümfest entsprungen. Leider verzichtet der Film - vielleicht auch aus Realisierungsgründen - auf die großen kraftvollen Momente des Romanes, die sich sogar wunderbar hätten in eine Filmsprache hätten übersetzen lassen können.


Überhaupt fehlen solche Momente im gesamten Film, finden sich wenn leider nur vereinzelt (Der Karneval in den Straßen der Stadt oder Mr. Darks Besuch in der Bibliothek). Der Film verzahmt die Romanvorlage stark oder interpretiert sie zumindest sehr zurückhaltend. Es ist leider ein sehr braver Film geworden, der nur ein rudimentäres Skelett des Romanes übrig lässt. Wenn man den Film aber andererseits als Disney-Film, der natürlich über die Kraft der Liebe eines Vaters zu seinem Sohn erzählt, betrachtet, ist er doch ein interessantes Zwitterwesen, weil er oft auch als freundlicher Kinderfilm verblasst und vergleichsweise düster wirkt, in seinen besten Momenten sogar alptraumhaftes (das Zimmer infiltrierende Spinnen) zu bieten hat. Es ist einfach ein Film, der sich nicht entscheiden kann, der in gewisser Weise turbulent ist. Ganz von der Vorlage losgelöst betrachtet, versprüht der Film durch dieses Krude, was an dem Film haftet, auch einen seltsamen Charme und ohne Frage erscheint er dadurch, dass er durchweg hintereinanderweg erzählt, auch kurzweilig. Der Film lässt sich daher wohl am besten als schummrige-wohlige, wenn auch konfuse Attraktion goutieren, die vor allem durch die zauberhafte Musik von James Horner beflügelt wird. Denn es ist die Musik Horners, die diesen Film seine schönsten Momente schenkt, den Film wirklich belebt und ihm schließlich auch seine Magie verleiht.

6.5 / 10

Autor: Hoffman 

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