Mittwoch, 19. Februar 2014

Die »große« Liebe als große Illusion? - Klassiker der Extraklasse: Das Geheimnis der falschen Braut (1969)



Schon wieder ist es eine Braut, die Truffaut interessiert, schon wieder arbeitet er nach einer Vorlage von William Irish (wie auch schon bei der vorherigen, schwarz-tragenden Braut), wieder kann man Parallelen zum Film noir ziehen und darüberhinaus ist Hitchcock wieder ein bedeutender Einfluss, wenn auch nicht der einzige Regisseur, der hier geehrt wird, denn das Werk ist schließlich auch Jean Renoir gewidmet. Das mag mancher ironisch nennen oder auch nicht, Truffaut scheint sich scheinbar dem Spannungskino verschrieben zu haben, unterläuft aber spitzfindig dessen Erwartungen, denn dieser Film ist doch mehr ein Drama der Liebe. Das Intro ist originell gewählt, mit einer Zeitung mit Partnerannoncen, unterlegt von schwirrenden Stimmen, die sich beschreiben und nach der Liebe suchen. Antoine Duhamels musikalische Untermalung ist Herrmanns Stil nicht unähnlich, das führt uns schon zu Hitchcock, sie hat so eine seidene Dramatik inne, als komme auf einen etwas zu. Und da ist es schon: Eine Heirat steht an? Und der Verlobte kennt seine Braut nicht einmal persönlich?! Schon die erste Begegnung beginnt mit einer Lüge, einem falschen Bild. Er glaubt, dass sie dennoch einander kennen, viel voneinander wissen und so herrscht Schweigen zwischen ihnen. Truffaut schafft ein Mysterium um diese Frau. Belmondo ist ungewöhnlich besetzt, er spielt einen reichen Tabakfabrikbesitzer, einen gutgläubigen Kerl und Catherine Deneuve ist seine kühle Braut. Es ist eine weiße Hochzeit, die für vermeintliche Reinheit steht, eben für Wahrhaftigkeit, aber Truffaut täuscht damit. Er widmet sich jedoch zunächst der Beziehung, der Routine des Ehelebens in tropischen wie auch malerischen Bildern der Insel.



Schnell wird aber klar: diese Braut hat doch ein Geheimnis, so wie Truffaut sie beobachtet? Schon ist das Geld weg, die Braut ebenfalls. Was darauf folgt, ist ein engagierter Privatdetektiv und ein Schwindelanfall (= wie in »Vertigo«?), ein Alptraum seitens Belmondo, von tanzenden Frauen in weißen Kleidern, er am Steuer des Wagens zwischen den undurchsichtigen Bäumen. Dadurch wird aber auch die vermisste Braut - durch Zufall! - wieder gesichtet, sie muss nur noch ausfindig gemacht werden. Das ist der Startschuss für eine weitere Reihe an Schauplätzen, neben dem exotischen Réunion, von Nizza zu Lyon und zur Schweiz. Das mag etwas umständlich formuliert sein, aber durchdacht, und wird darüberhinaus von Truffaut durchaus ironisch betont, als wilde Liebe. So erfährt man, dass sie eine Frau mit Vergangenheit ist, die erpresst wurde, mit einer schweren Kindheit im Waisenhaus, ein bekanntes Truffautmotiv, und daraus profitierender Neurosen (= etwa wie bei »Marnie«?), sich als Diebin durchschlagen muss, keine Skrupel besitzen mag, ihn aber (scheinbar) wirklich liebt. Ist es eine Frage des Vertrauens? Wohl eher der Liebe. Er glaubt, denn er liebt sie, er will sie aufrichtig lieben. Da erfolgt eine zarte Beschreibung ihrer sanften Schönheit am Kaminfeuer und auch auf die Beine wird geachtet, Belmondo ist fasziniert von ihnen, ja das hat auch zeitweise etwas frech-lustvolles, aber öfter noch etwas düsteres. So ist er ihrer Schönheit doch verfallen, würde sogar für sie töten und sich aufopfern.



Es gibt hier zwei Welten, zwei Lebensweisen, die aufeinanderprallen, das Schnelllebige, welches durch Deneuve repräsentiert wird, und das Dauerhafte, nach dem sich Belmondos idealistischer Charakter sehnt, aber wiederum für die Liebe zu ihr aufgibt. Dieser Film von Truffaut ist eigentlich sehr zentriert, wenngleich er dabei verstrickt und geheimnisvoll wirken mag, auf seine beiden Protagonisten und ihre Beziehung, die von Liebe und Zuneigung zu Wut, Verachtung und Hass reicht. Das ist ein komplexer Konflikt, den beide hier austragen. Es ist ein Wechselspiel zwischen ihnen, bei dem man sich fragen muss, ob die Liebe dieser Frau wirklich echt ist? Sie könnte falsch sein. Deneuve umgibt so etwas rätselhaftes, dabei immer am Geld interessiert, aber auch an seiner Liebe? Und benutzt sie ihn etwa nur? Das deutet auf eine Femme Fatale hin. Kann diese Liebe sein? Er stellt zwar ihr Glück in Frage, meint aber ebenso, dass er nicht ohne sie leben könne. Schmerz und Freude wären dabei zwei Seiten der Liebe. Und weitere Details gibt es hier übrigens auch, da läuft im Kino »Johnny Guitar«, ein bisschen Balzac wird gelesen und versuchsweise wird vergiftet, wie in »Notorious«. Das ist eine Geschichte zwischen Hitchcock und Renoir, die ins Weiße, ins Ungewisse führt, bei der man sich fragt, ob die Liebe vielleicht nur eine Illusion ist, eine große Illusion. Doch was die Zukunft bringt, weiß keiner.



7.0 / 10


Autor: Hoffman 

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