Freitag, 20. Dezember 2013

Im wirren Netz der Erinnerung - Kritik: Spider (2002)


Zum Glück hat sich David Cronenberg nicht dafür entschieden, die Schizophrenie seines Protagonisten zu beleuchten oder groß in Szene zu setzen, da hier sonst ein ähnlicher Wirrwarr wie der grausige "A Beuatiful Mind" entstanden wäre. Spider wird von beginn an als Mensch gesehen, der, nachdem er aus der Psychiatrie entlassen wurde und nun ein trostloses Dasein in einem schäbigen Teil Londons fristet, gedanklich noch einmal in seine Kindheit zurückkehrt. Als kleines Kind musste er mit ansehen, wie sein trunkener Vater seine Mutter wegen einer Dorfprostituierten erschlagen hat - zumindest meint er das. Cronenberg begibt sich damit abermals in den Bereich dessen, was real ist und was nicht. Sein Film zeichnet dabei die Lebensgeschichte eines Jungen, der die traumatischen Erlebnisse seiner Kindheit nie überwunden hat und - bedingt durch seine seelische Erkrankung - dazu verdammt ist, sie immer wieder zu erleben. In der Leiterin des Wohnheims, in dem er als Erwachsener nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie lebt, erkennt er die verhasste Dorfhure, für die sein Vater (zumindest in Spiders Erinnerung) Spiders Mutter getötet hat, wieder und beschließt, sie zu ermorden. Die Story geht dabei allerdings nicht den Weg einer Rachegeschichte, in der das gequälte Kind durch einen Mord endlich Genugtuung empfindet, sondern es wird immer deutlicher, dass man Spiders Erinnerung nicht glauben darf. Schließlich enthüllt Cronenberg, wie Spiders Mutter wirklich starb, was in diesem Falle nicht als Twist, sondern als Kernaussage der Geschichte zu werten ist. Man kann der Erinnerung an grausame Taten und Erlebnisse entfliehen, in dem man sich als Opfer all dessen sieht, was man an Ungerechtigkeiten erlebt hat. Allerdings wird das - völlig unabhängig von einer psychischen Erkrankung - dazu führen, dass man auf ewig in diesem Kosmos gefangen ist, was dazu führt, dass die Taten auch wiederholt werden. Ein Leben in völliger Stagnation.


7.5/10

Autor: MacReady

2 Kommentare:

  1. Mich würd' interessieren, was du als offensichtlicher Cronenbergfan interessieren von Cosmopolis hältst.

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    1. Sehr viel, ist für mich sein bester Film im neuen Jahrtausend. Wird demnächst auch noch hier besprochen.

      Gruß

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