Mittwoch, 18. März 2015

Rette sich, wer kann! - Klassiker der Extraklasse: Weekend (1967)



Eine Analyse über einen solchen Film?! Unmöglich, da kann man gleich das Handtuch werfen und sich aus dem Fenster stürzen! Ein Film, verwirrt im Kosmos. Ein Film, den man auf dem Schrott fand. Es gibt viel zu schreiben und zu beschreiben. Die (ironisch eingesetzten und gigantischen) Texttafeln liefern eine erste Beschreibung für das, was einen erwartet: Ein Week-END! Godard betreibt nun eine militante und unerschöpfliche Filmpolitik, wie noch nie zuvor (glaube ich), bricht mit Erzählmustern und Normen des Kinos und geht zu den Extremen: Laut, aggressiv, brutal, zynisch und wütend. Das Kino ist nun kein Schlachtfeld mehr, nein es ist viel mehr, es ist Krieg!



So ist der Ton penetrant, er wirkt düster und drangsalierend, auch übertönen Musik und Ton anfangs zeitweise den Dialog und die Worte, dann wieder Stille und das im ständigen Wechsel. Es ist wie eine Sinfonie des Wahnsinns, nervenaufreibend in dem Sinne, dass Godard den Zuschauer direkt (neben der Bourgeoisie) attackiert. Das verdeutlicht die knapp 7-minütige Plansequenz eines Autostaus, ohrenbetäubender Lärm von allen Seiten, die enervierenden Autohupen und Menschen, die überall versuchen sich ihre Zeit (so gut wie möglich) zu vertreiben, warten und die Langeweile bewältigen, während sich Godard Protagonisten, ein Ehepaar (Mireille Darc und Jean Yanne), den Weg durch diese scheinbar endlose Autoschlange bahnen. Doch diese bleibt nicht die einzige überlange Plansequenz in Godards Werk, eine weitere meistert die 360 Grad-Drehung und bei einer wiederum anderen wandert die Kamera einfach nur die Straße entlang, hin und her, wie es ihr gerade gefällt.




Godard ist anarchistisch, sein Film ruhelos, er ist eine Geduldsprobe (für den Zuschauer) mit sich selbst, aber eben dieser Fakt macht Godards Werk so enorm faszinierend, wie es eben ist diesen Film auf sich wirken zu lassen. Godard macht es einem nicht leicht, man sollte ihn deshalb nicht anstrengt versuchen zu betrachten, sondern versuchen das aberwitzige daran zu erkennen. Natürlich ist dieser Film zerstörerisch, dennoch dabei lebendig und aktiv. Er fordert einen direkten Kontakt und eine Konfrontation mit seinem Publikum. Auch seine Protagonisten sind enerviert: Dieser Film ist zum kotzen! Streit, Wut, Ärger Ausbruch, Beleidigungen, Geschrei und Disharmonie herrschen hier, Godard verherrlicht all dies absurd und irrsinnig, was sich wiederum im Wahnsinn bündelt: Sie sind im Film oder in der Wirklichkeit? Im Film! Ein Film ist das Leben! Und was da nicht alles drinstecken kann: Eine Autofahrt, ein Unglück nach dem anderen, Regen, Unfälle, eine Entführung und dann zu Fuß weiter; die französische Revolution? Jawohl, im Kino! Zitate gibt es zu genüge von Lewis Carroll, den imaginären Gestalten des Kinos, zu Jesus (dem Kommunisten?!), ob Mozart oder Panzerkreuzer Potemkin, Marx & Engels, das Ende ist nah und kommt immer näher: Feuer, Leichen, Tod, Politik, Zivilisation, Wildheit und Barbarei, durch die Wälder streifen und als Krönung Hippiekannibalen! Fahr doch zur Hölle!! Das besagt endloses Chaos, ist das die Apokalypse? Was auch immer es ist, es ist außergewöhnlich. Sicherlich kann man ihn wegen seiner drastischen Zuschauerfeindlichkeit hassen, es ist aber nicht zu leugnen, dass Godard das genauso konzipiert hat. Es ist wohl Godards Abschied vom herkömmlichen Kino. Da steht die Frage im Raum: Ist das nun Dekonstruktion oder doch viel mehr Neuerung und Erweiterung des Kinos, das Treiben auf eine neue Stufe? Godard hat das Ende des Kinos gesehen und wir mit ihm. Ich weiß nicht, ob ich diesen Film ein weiteres Mal überleben werde. Einen Versuch wäre es wert: Ende der Geschichte. Ende des Kinos. Ende des Kommentars.



8.5 / 10

Autor: Hoffman 

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