Mittwoch, 10. Februar 2016

Eine Brite sieht rot - Kritik: The Limey (1999)



Soderbergh krempelt bei »The Limey« den Gangsterfilm, diesen typischen Charles-Bronson-Film, dieses Subgenre des Selbstjustizfilms, um, in dem er das Motiv der Rache innovativ verpackt. Ein Mann sieht rot. Ein Tod auf dem Mulholland Drive. Eine Tochter ist tot. Ein Unfall? Ein Vater vermutet mehr hinter dieser Angelegenheit. Ein Mann, ein Name: Wilson, der 9 Jahre im Gefängnis saß. Er ist der Protagonist, ein Brite, selbst ein Mysterium, ein Mann mit einem Auftrag, ein Verrückter, ein Geist, den Terence Stamp mit stoischer Miene eiskalt, aber irgendwie dabei auch elegant mimt, wenn er seinen erbarmungslosen Feldzug vollzieht. Auf der anderen Seite, der Mann, auf den es Wilson abgesehen hat, ist ein Musikpromoter, ein Gangster (Peter Fonda, der diese Rolle auch mit einer gewissen Selbstironie spielt), der sich fragen soll: Wieso? »The Limey« ist dabei einer von Soderberghs ungewöhnlichen Genrefilm (oder die Dekonstruktion dessen) geworden, womit er sich auch bei seinem Vorbild Godard hierbei orientiert.



Es ist ein fragmentarischer, aber dabei auch ein faszinierender Film, der wie fast jeder Soderbergh an den Oberflächen verhaftet ist. Auch hier ist er Beobachter, der seinen Film kühl hält. Die Geschichte ist eine Folie, die Soderbergh dafür aber lakonisch-experimentell umsetzt. Soderbergh reduziert sehr viel durch seinen ungewöhnlichen Bilderfluss, bei dem, was er erzählt und erzählen will. Er nutzt fremdartig wirkende Rückblenden, die den Handlungsfluss durchbrechen, das Erzählte der Figuren bestärken, nur durch Bilder vermittelt werden, bruchstückhaft erscheinen, wie kurze Ausschnitte, wie kurz aufflackernde Gedanke, wie ein Geheimnis, das uns (noch) verschlossen bleibt. Diese Rückblenden (unter anderen verwendet er dabei auch grobkörnige Szenen aus Ken Loachs »Poor Cow«, ebenfalls mit Stamp in einer Hauptrolle, und verkauft diese als vergangene Wahrheit der Figuren, also seines Films) ergänzt Soderbergh mit kurzen Informationen, die wir daneben von den Figuren bekommen, um das Ganze auch schlüssig entwickeln zu können. Dabei sind die Bilder nicht immer chronologisch im Fluss, auch wenn es die Erzählung ist. Durch diese Methode, wozu auch der Einsatz der Rückblenden zählt, erreicht Soderbergh eine Art Täuschung, Irritation beim Zuschauer. Er verschachtelt klug und reizvoll diese schlichte Geschichte, in der er die Frage nach der Schuld stellt.



Soderbergh hinterfragt dieses »Subgenre«, dieses »Mann sieht rot«-Motiv, unter anderem auch durch ironische Bemerkungen, die sich durch die Geschichte ziehen. Er nimmt sich die klassischen Muster und verpasst ihnen eine neue, intellektuelle Form und kann somit mit der Wahrnehmung des Zuschauers spielen, ihn auf etwas aufmerksam machen, so wie es bereits Jean-Luc Godard vor ihm tat. Er wählt spielerische Kameraperspektiven und erzählt überaus besonnen diese Geschichte. Dazu wird der Film durchzogen von den wehmütigen Klängen von Cliff Martinez, die dieses andere Gefühl des Films verstärken. Die Musik hat an sich etwas behutsames, in ihr liegt eine Art Schmerz, der verarbeitet werden muss. Soderberghs Film ist manchen Momenten von selbst melancholisch, andererseits ist das auch ein (ur)komischer Film, der einen manchmal trockenen Humor in diese Geschichte wirft (»Sieht aus als wäre die ganze Mafia bei ihm: Dicke Muskeln, Bodyguards, so ein richtiger Haufen Blödmänner.«) und wie er das tut, das wirkt manchmal auch fast schon absurd. Soderberghs Werk ist also in jedem Fall ein gewitzter Film.


7.0 / 10

Autor: Hoffman 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen