Mittwoch, 21. März 2012

Kritik: "The Crow"

"Darker than the bat."

Als hätte sich aus dem Comicheft ein übermächtiger Schatten gelöst und das Filmprojekt kontaminiert. Der traurige Fall einer Schauspieler-Rollen-Konvergenz: Brandon Lee mimt nicht nur in "The Crow" eine tragische Figur, er wurde auch im wahren Leben zu einer. Es fühlt sich an wie ein inszenatorischer Prototyp für Fincher's 90er Jahre Schaffensphase unter der Patenschaft Tim Burton's. Die anfangs verworren anmutende, gewöhnungsbedürftig ausgeleuchtet und geschnittene Crime feat. Bandenstory entwirrt sich bald und gibt ihre simple, aber keinesfalls banale Sehnsuchts- und Revenge-Handlung preis.

Proyas nutzt den überschaubaren Plot als Plattform für seinen Kosmos einer brennenden Stadt. Zentrale Thematik ist das Gerechtigkeitsgefühl eines Unschuldigen, der Erlösung in der Ausmerzung von Übel, in der Exekution der Männer erfährt, die sein Leben und das seiner Verlobten auslöschten. Gesellschaftskritik bleibt bei aller Steilvorlagenpräparierung rar und oberflächlich. Wenn eine drogenabhängige Mutter durch den von den Toten zurückgekehrten Rächer zur Einsicht gelangt, dass das Drücken von Heroin in ihre Arme kein lobenswertes Hobby ist, dann riecht das schon streng nach unglaubwürdiger Moralpredigt durch einen Gesetzlosen, der im gleichen Augenblick 'ne ganze Truppe massakriert.

Zum Glück bleibt Zeigefingergefuchtel die Ausnahme, vielmehr geht es um den brutalen, erfrischend schwarzhumorigen Streifzug durch einen dunklen Sündenpfuhl. Die in pervertierten Ritualen eingepferchte Stadt wird von Schurken regiert. Humorvolle Momente werden nicht nur durch die Perspektive des eigenwilligen Sergeant Albrecht (Ernie Hudson postuliert Dickköpfigkeit statt Pessimismus) kreiiert. Michael Wincott geht als irrwitziger Herrscher des Molochs in seiner Paraderolle als Bösewicht mit Vorliebe für Brandstiftung wie zu erwarten voll auf (zwischen Rickman's schleimigem Schergen in "Robin Hood" und perfektionistischem Kidnapper in "Along came a spider" ein kurioser, toller Lückenfüller). Friedhof, Kirche, Krähe, 'Dead Souls' by Joy Division covered by NIN. Atmosphärisch war das für mich das Intensivste seit langem. Als hätte ein junger Ridley Scott sein eigenes Gotham City errichtet. Nacht und Regen in Dauerschleife sind die schauderhafte Kulisse für ein düsteres, gleichzeitig ironisches Horrormärchen.

Anfangs nistete sich Unzufriedenheit über Brandon Lee als geschminkter Rächer und Ex-Rockstar ein, sein schmerzvoll verzerrtes Gesicht wirkte zu theatralisch. Seine emotionalen Ausbrüche wollten sich nicht recht zur Berufung als knallharter Selbsjustizexecuter gesellen, für deren Erfüllung er extra sein muffiges Grab verlassen hatte. Doch genau aus dieser Diskrepanz entwickelte sich mehr und mehr eine der großen Stärken. Die Figur Eric Draven bleibt trotz seiner physischen Unverwundbarkeit und des abschreckenden Make-Ups zutiefst verletzbar und menschlich. Ein Film über Subkulturen, aber nicht ausschließlich für Subkulturen. Ja, "The Crow" schafft es trotz Startschwierigkeiten und gelegentlichen Mangelerscheinungen die Essenz des Gothik auf den Punkt zu bringen, wie es seine Tagline "Real love is forever." tut. Er ist kein Trend für suizidgefährdete Extrovertierte, sondern morbide, gruselige, aber aufrichtige Romantik.


6 / 10

Autor: seven

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