Mittwoch, 13. Januar 2016

George Miller has gone mad! - Kritik: Mad Max: Fury Road (2015)

Vielleicht möchte man es lieber wagemutig statt wahnsinnig nennen. Wahrscheinlich sind beide Attribute untrennbar miteinander verzahnt, wenn sie das gewaltig Projekt beschreiben sollen, das vor über 15 Jahren seinen Anfang nahm. Damals wuchs im australischen Regisseur George Miller erstmalig die Vorstellung eines Sequels seiner selbst geschaffenen Mad Max-Filmreihe, die einen großen unverkennbaren Einfluss auf Action- und besonders Endzeitfilme ausübte. Mel Gibson, der seine Folterfantasien später lieber seinerseits als Regisseur auslebte, wurde zum Gesicht des ehemaligen Polizisten Max Rockatansky, der seine Familie durch marodierende Motoradbanden verlor und fortan als einsamer Antiheld in der endlosen Wüste umherzog, auf der offenbar vergeblichen Suche nach Erlösung. Die hat er in den 1979, 1981 und 1985 erschienenen Filmen nicht gefunden, stattdessen traf er im unwürdigen, vorläufigen Finale auf Tina Turner als despotische Herrscherin der Donnerkuppel (und eine Schar Kinder). Weil das zweite Sequel zurecht auf wenig Gegenliebe stieß, sorgte die Verkündigung einer Weiterführung der Geschichte um den road warrior für Aufregung, jedoch gestaltete sich die Produktion so schwierig, dass irgendwann Mel Gibson als zu alt für die Rolle galt. Nach einer entmutigend langen Produktionspause (durch den Irakkrieg, der die Dreharbeiten in Namibia blockierte), konnten diese letztlich 2012 ebendort unter sengender Hitze beginnen. Der (größtenteils durchgeführte) Verzicht auf Computeranimation erschwerte diese sichtlich, jedoch spricht das wunderbare Ergebnis aus Schrott, Schweiß und Blut für sich.


Wunderbar sind natürlich nicht nur die echten Stunts und die nahezu haptische Actioneinlagen, sondern auch die Figuren, die nicht mehr als Ergänzungen zum lakonischen Max (diesmal von Tom Hardy verkörpert) fungieren und somit als mindestens ebenbürtige Akteure das Geschehen bestimmen. Allen voran steht hier Charlize Theron als Imperator Furiosa, die anfangs Max im brutalen Zweikampf widersteht, hinter deren rüder und ungewöhnlicher Fassade (kahl rasierter Kopf und ein mechanischer Arm verleihen ihr ein ungeheuer martialisches Aussehen) eine genredurchbrechende Tiefe steckt. Ihr Wunsch nach Heimat hat sie zu einer fähigen, unerbittlichen und zugleich sensiblen Kriegerin werden lassen, die den despotischen Alleinherrscher über ein Felsmassiv, Immortan Joe, mit gigantischer Kriegsarmada hintergeht, um den sichtlich geschändigten Frauen des Fanatiker die Zuflucht zu ermöglichen, die ihr einst verwehrt wurde. Dieses Unterfangen verleiht dem Blockbuster (bei aller negativen Konnotationen ist dies Mad Max:Fury Road) eine feministische Lesart. Max hilft beim Unterfangen weniger aus Selbstlosigkeit, statt vielmehr aus Zwang mit: das als Fluchtfahrzeug taugliche War Rig, das aus diversen Vehikeln zusammengestetzt wurde, ist von Furiosa so manipuliert worden, dass nur sie es bedienen kann. Eine weitere Schlüsselszene stellt die nächtliche Bedrohung durch den geierhaften Bullet Farmer dar, den Max aus der Ferne per Fernschuss nicht erwischen kann - Furiosa indes schon, was Max auch grummelig einsieht. Letztlich ist es auch nicht Max, der durch völligen Körpereinsatz und lebensgefährlichen Verletzungen am Leben erhalten werden muss, sondern Furiosa. Möglicherweise steht sie schon jetzt neben Ellen Ripley und Sarah Connor im Olymp starker Frauenfiguren im Actionfilm, nur besitzt sie darüber hinaus eine Charaktertiefe, die jene ihrer Kolleginnen durchaus übersteigt.


Eine weitere bemerkenswerte Figur ist der einstige Fanatiker Nux (Nicholas Hoult), der Immortan Joe treu ergeben war, unter seiner Führung jedoch scheiterte, womit ihm ein Platz an Odins Tafel in Walhalla verwehrt bleibt (so Immortan Joes Versprechen an seiner Anhänger). Nux ist von der scheinreligiösen Gewalt, die von Joe ausgeht, körperlich und seelisch schwer geschädigt. Seinen Platz unter den Widerständlern erlangt er durch sein Scheitern, von seiner dogmatischen Vergangenheit kann er sich indes nicht völlig lösen, obgleich er hier erstmalig ein nie gekanntes Gefühl für Liebe gewinnt. Jene Figuren befinden sich auf der Flucht vor den weiß bemalten Gotteskriegern, die ihre Fahrzeuge, wie man es aus der Reihe kennt, anarchisch verändert haben,.Allgemein: Die postapokalyptische Ausstattung aus Köpfen von Babypuppen, stacheligen Autos (siehe obiges Bild, die Inspiration stammt aus Peter Weirs Frühwerk The Cars that ate Paris) und einem Gitarristen, der - als wäre es das normalste auf der Welt - seine Flammen speiende (!) Gitarre während der halsbrecherischen Fahrt spielt, ist grandios grotesk und zeugt von der jahrelangen Arbeit, die bereits in den Entwürfen und Details stecken muss. Das starke Colorgrading kommt der dystopischen Atmosphäre zugute und ist tatsächlich nicht zum schicken Selbstzweck vorhanden. Desweiteren strahlt das Werk eines wahren auteurs eine dermaßen ungezügelte Energe aus, das sich nur schwerlich Ermüdungserscheinungen zeigen. Selbst die ruhige Nacht unter klarem Sternenhimmel, in der über Fernsehsendungen (!!) sinniert wird, hat als melancholischer Gegenpart seine Bedeutung. Nach vier Sichtungen wage ich die vorsichtige Behauptung: Bei Mad Max: Fury Road handelt es sich um den besten Blockbuster der letzten fünfzehn Jahre (ein Titel, der angesichts der meisten Ergüsse auch nicht so schwer zu erreichen ist. Nicht wahr, J.J.Abrams?). Eigentlich betrübt dabei die aktuelle Meldung, dass George Miller nur keine weiteren Filme der Reihe mehr drehen will. Dabei hat es wohl erst einen siebsigjährigen Australier gebraucht, um das big budget-Kino gehörig umzukrempeln.

                                                                       9/10

Autor: DeDavid

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