Freitag, 14. Juni 2013

Truffaut Retrospektive #2 - Klassiker der Extraklasse: Die süße Haut (1964)



Nach »Jules und Jim« berichtet Truffaut mit »Die süße Haut« ein weiteres Mal über eine Dreiecksgeschichte, den Mittelpunkt bildet hierbei aber nicht die Beziehung der drei Personen, sondern der eine Protagonist, Pierre Lachenay. Truffauts Interesse liegt auf einer Charakterstudie, in Verbindung mit dem Motiv der Unmöglichkeit der Liebe. Es geht um Ehebruch, die Gattin und die Geliebte, um eine Affäre, also um die geheime Liebe und den Mann als Spielball zwischen zwei Frauen. Er ist ein Intellektueller, ein Vater, hält Vorträge über Balzac und das Geld, womit Truffaut ja auch wieder den Kontakt zur geliebten Literatur nicht auslässt, auch nicht in Form von André Gide. Es ist wie Stillstand im Ehe- und Liebesleben. Der Gatte wendet sich zur modernen, frischen Frau, vereinbart heimliche Treffen und gibt sich fasziniert von dieser Moderne, durch ihre zierlichen Beinen und ihre sanfte Haut. Er ist aber auch feige, schüchtern und eine unbeholfene Figur in der Liebe. Es ist ein Widerspruch, den Truffaut bei seinem Protagonisten ansetzt zwischen Intellekt und teilnahmsloser Emotion. Truffaut seziert förmlich analytisch in eleganten und kühlen Bildern diesen Charakter, die Unmöglichkeit der Liebe und Unfähigkeit der Kommunikation zwischen seinen Figuren. Gerade diese Verschlossenheit der Charaktere wird durch Coutards Schwarzweißbilder umso stärker unterstrichen, auch wenn Truffaut durch die Distanz jedwede Empathie zu seinen Protagonisten unterlässt. Lachenay drückt sich vor den Entscheidungen, lässt die anderen entscheiden und weicht den Konflikten aus, dabei ist er von Anderen abhängig.

Willenlos scheint er durch die Inkompetenz seiner Gefühle den Frauen unterworfen zu sein. In diesem Charakter herrscht also wieder eine Lieblosigkeit, er erinnert mehr an einen Zombie, der durch die Szenen von Truffauts Film streift als an einen lebendigen Menschen. Truffaut verwendet die zeitweise getragene Brille Lachenays auch als Symbol für dessen Intellekt und um diese Seite seiner Figur zu bestärken. Interessant ist an dieser Stelle natürlich auch der Einfluss von Hitchcock auf diesen Film, der ja während der Entstehung des Hitchcockbuches herauskam. Delerue vermittelt mit der musikalischen Untermalung Spannung, wie hitchcockesk, und auch manche Einstellungen erinnern in diesem Fall stark an Hitchcock. Da darf das kleine Detail nicht ausgespart werden, dass Truffaut sogar direkt eine Sequenz aus einem Hitchcock (wenn ich mich richtig entsinne war es »Notorious«) zitiert (oder in abgewandelter Form übernimmt), bloß, dass diese Übernahme hierbei schon fast als bösartige Abrechnung mit Kritikern gelten kann, wenn man die Szene im Kontext des Hitchcock Films bedenkt. Ein weiteres Detail ist, dass man irgendwann im Hintergrund das Plakat von Cocteaus »Le sang d´un poéte« sieht. Wen interessiert das? Mir egal. Warum? Ich schreibe es nieder, weil ich es kann und Details benötige. Es ist auch dieser Kontrast zwischen seiner heißblütigen Frau und ihm, der seine Passivität verdeutlicht, die ihn ja letztlich durch seine eigene Inkonsequenz ins Unglück stürzt und das mit einem tragischen Schuss, äh Schluss.



8.0 / 10



Autor: Hoffman

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