Mittwoch, 11. September 2013

Tod, Vernichtung, Bressons Mittelalter! - Klassiker der Extraklasse: Lancelot, Ritter der Königin (1974)




Reden wir mal ganz spontan über Klischees, über die Klischees eines Ritterfilms. Das sind die mit den prächtigen Farben, Edelmut, Romantik und strahlenden Helden, wie sie »Knights of the Round Table« oder »Ivanhoe« aufwiesen (mir ist übrigens bewusst wie scheußlich konstruiert dieser Übergang ist und ich mache es trotzdem) und jetzt betrachten wir Robert Bressons Interpretation der Arthussage. Was nun folgt und gesehen wird? Gewalt! Explizite Gewalt, die auf den ersten Blick schockieren mag, aber doch sofort die Regeln von Bressons Werk aufstellt und drastisch darstellt, auch in Bezug auf die Brutalität, denn der Heldenmut ist aus Bressons Film längst entschwunden (es gab ihn schließlich auch nie), das hier hat etwas abgründiges und dreckiges. Die Gralsuche ist gescheitert. Das sind Bilder der Zerstörung, der Plünderung und des Todes. Es ist eine Welt, die von Gott verlassen wurden zu seien scheint. Willkommen im Mittelalter, seine Ritter kehren desillusioniert und mit leeren Händen zurück.



Bresson defomiert förmlich den Rittermythos, sein Film wird zur einer Zielsuche. Die Stimmung ist trist, die Bilder sind karg, aber kunstvoll ist er inszeniert. Bresson nutzt dazu meist Detail- wie auch Nahaufnahmen und das im breiteren Sinne (wenn der Blick auf die Augen der Pferde als so etwas zählt), teils auch um die Einsamkeit seiner Figuren auszudrücken. So dienen die Rüstungen der Ritter für Bresson als Metaphern um die emotionale Distanz zwischen den Charakteren und ihre verlorene Sensibilität auszudrücken, auch berichtet Bresson dabei von der Unmöglichkeit der Liebe (zwischen Lancelot und Guenièvre) und thematisiert demnach folgerichtig auch die Passion und die Erlösung des Menschen, er spricht von Trug, Verrat und Treue zwischen den Rittern, von Intrigen (wie der von Mordred gegen König Artus) und Machtspielen (wie jenes von Lancelot und Widersacher Morded). In einer solchen Welt sind jedwede Werte, Moralen und Tugenden verfallen, ein düsteres Bild. Besonders die Rüstungen bilden somit einen bedeutenden Schwerpunkt in Bressons Symbolik. Sie zeichnen den Menschen mehr und mehr als Maschine ab, der einzig seinem Zweck der Arbeit dient und damit auch seine Menschlichkeit verliert.




Interessant ist aber auch, dass Bresson des öfteren das untere Hinterteil der Rüstung filmt, wo Beinlinge, die nicht von der Rüstung verdeckt werden, als Anzeichen der letzten Menschlichkeit stehen. Der Mensch ist in der Gefangenschaft der Maschine (= Rüstung), die Beinlinge verdeutlichen aber, dass Leben noch existiert in diesem kalten Material. Der Mensch ist gebunden zwischen Zwängen und Zwecken. Der Schall und das Scheppern der metallischen Rüstungen kann wiederum als Konkretisierung der Fesseln, die von den Rüstungen ausgehen, verstanden werden. Als hätte man den Menschen eine blechernde Kette angelegt. Dies scheint fast mit der Zeit, die Stimmen und Worte zu überdecken. Es sind Stimmen, die langsam zu stummen scheinen und die Liebe unmöglich machen, auch ausgedrückt durch die formalisierten Dialoge und das grobe und monotone Spiel der Akteure. Genau diese Leblosigkeit ist es, die scheinbar das Ende heraufbeschwört und den symbolischen Tod in Bressons Werk so präsent aufzeigt, also die Abwendung von Gott und der Suche nach Gott. Das macht sicherlich seinen Film sperriger, aber auch umso spannender. Es sind also die kleinen Details, die Bresson in seiner fragmentarischen Erzählung beleuchtet und den Inhalt der Geschichte durchaus vage werden lässt, das erlaubt eine ambivalente Haltung zu Gesehenen und Geschehenen. Den Höhepunkt dieser ungewöhnlichen Inszenierung repräsentiert dann ein Turnier, welches brüchstückhaft und jeweils ausschnittsweise von Bresson geschildert wird, mit wiederkehrenden Einstellungen, unkonventionellen Winkeln und Perspektiven. Da kann man doch nur erstaunt zurückblicken, das Ende der Welt sehen und imponiert sein von einem solch gespenstischen Abgesang auf das Genre und auf die Menschheit.



7.5 / 10


Autor: Hoffman

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