Dienstag, 14. Mai 2013

Zeit für Märchen - Klassiker der Extraklasse: Es war einmal...die Schöne und das Biest (1946)




Ich gebe es ja zu, ich habe eine Schwäche für solch originelle Expositionen, erst werden hier auf einer Kreidetafel die Credits verewigt und dann apelliert Cocteau an die Jugend, die Naivität und das Märchen, die im folgenden dringend gefordert sind, wenn sein Werk mit den sanften Worten »Es war einmal...« beginnt. Er bittet um Toleranz für Märchen und Träume. Cocteaus Film wird damit zu einer Reise zu den Grundwerten des Kinos (nach Méliès interpretiert) und in die Fantasie. Cocteau richtet sich treu nach der bekannten Vorlage von Villeneuve, mit veränderten Einzelheiten bei der Erzählung. Den großen Reiz hinter Cocteaus Umsetzungen machen dabei seine elegante Inszenierung und der Stil seines Films aus, in eine märchenhafte Optik getränkt, verzaubert Cocteaus Werk besonders durch eine prunkvolle Dekoration und eine edle Gestaltung, da dürfen Spiegel selbstredend nicht fehlen, hier glänzt und glitzert die Schönheit, wo sie nur kann. Schönheit ist schließlich auch das Thema des Films.




Der Vater, der seiner Tochter eine Rose mitbringen soll, also Schönheit raubt und das Biest (Jean Marais), der Besitzer jener Blume, der im Gegenzug dafür aber auch Schönheit (eine seiner drei Töchter) als Ausgleich verlangt. Drei Töchter, zwei Überhebliche und eine Tüchtige, Bella (= wir erinnern uns; abgeleitet von belle). Jene Tochter, die ihn auch bat eine Rose zu pflücken, sie ist es nun, die sich für ihren Vater aufopfert und zum Schloss des Biestes zurückkehrt. Das Schloss des Biestes selbst markiert in Cocteaus Werk wahrscheinlich den faszinierendsten Punkt, bei dem Cocteaus Einfallsreichtum auftrumpft, von bewegenden Objekten (wie Kerzenhaltern) und Büsten, die zum Leben erwachen oder Licht- und Schattenspielen, all das unterstützt diesen surrealen Zwischenton von Cocteaus Film, auch Aurics musikalische Untermalung schwingt zwischen lebhaften und nahezu geisterhaften Klängen, phantastisch! Magisch sind die Dekors und die Details, eingehüllt wie in einen mystischen Schleier (und ich wollte doch weitestgehend auf diese komischen Vergleiche verzichten). Inhaltlich wird deutlich weniger geboten. Somit konzentriert sich Cocteau auf die Beziehung und die Entwicklung von Bella und dem Biest. Beim ersten Anblick dieses »Tiers« fällt sie in Ohnmacht. danach wendet sie sich ab von ihm, wegen seiner Abscheulichkeit und seiner Natur eines Tieres, welche sie fürchtet.




Es ist die Furcht vor dem Unbekannten. Man kann hier also vom poetisch-realistischen Motiv des Individuums (= das Biest), welches gegen die Gesellschaft gestellt ist, sprechen. Eine, die ihn nicht als das akzeptiert was er ist, weil er eben normwidrig oder andersartig für sie ist. Man kann dieser Thematik fast persönlichen Bezug seitens Cocteau, der bisexuell war, einräumen, das Biest also als Metaphern für die Homosexualität steht. Ein Stoff, der ihm demnach am Herz gelegen haben muss. Das zeigt sich auch darin, dass Cocteau starke Empathie für das  Biest erzeugt, welches sein Glück sucht. Die Figuren sind folglich gleichberechtigt in ihrer Gefangenschaft. Das Biest ist Bella unterlegen durch ihre brennenden und grausenden Blicke. Zudem bezeichnet es sie auch als »Gebieterin«, sie wiederum auch ihn als »Gebieter«. Was sie verbindet ist ein Wechselspiel von Leid und Mitleid, von Trauer und Barmherzigkeit und Liebe. Das Lehrstück, bei dem es nicht auf den äußeren Schein, sondern das innere Sein ankommt, ist bekannt. Anmerken möchte ich dabei noch, dass bemerkenswerterweise Jean Marais (meist in Nahaufnahmen) in zwei Rollen zu sehen ist, die von Bellas Buhler und dem Biest. Symbolisieren diese etwa die zwei Seiten einer Medaille? Während die Gier den einen verdammt, rettet die Liebe also den anderen? Ich möchte das nur bedingt anführen, möchte aber festhalten, dass diese Verbindung stark fehlinterpretiert werden kann. Vielleicht brauchte Cocteau auch einfach nur eine Erklärung dafür, dass er seinen geliebten Marais in mehreren Rollen inszenieren konnte. Vielleicht sind Erklärungen in diesem Fall auch überflüssig, so lässt man den Traum träumen bis er in den dichten Wolken versinkt und man wieder dort angekommen ist, wo diese Reise begann.




7.0 / 10

Autor: Hoffman

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