Mittwoch, 10. August 2016

Von Dackeln und Menschen - Kritik: Wiener Dog (2016)

Es beginnt mit einem trägen Dackel (engl. "Wiener Dog"), der fast komplett teilnahmslos zwischen den Gitterstäben eines Käfigs starrt. Eigentlich müsste der Vierbeiner ein Glückspilz sein, denn eine sich im Vorort erfolgreich verwirklichte dreiköpfige Familie adoptiert ihn, damit der junge Sohn, der gerade erst seine frühe Krebserkrankung überstanden hat, einen Spielkameraden hat. Doch so einfach wie in der Heile-Welt-Vorstellung des Patriarchen gestaltet sich das Zusammenleben mit dem Haustier nicht. Beim Gassigehen muss er fast durchweg gezogen werden und eine für Hunde unangebrachte Mahlzeit bestraft er mit einem regelrecht nimmermüden Durchfallinferno. Dass hier die Grenzen der Komödie ausgelotet werden, zeigt sich spätestens, wenn die Kamera gefühlt minutenlang an der braunen Fäkalienspur vorbeifährt. Für Regisseur Todd Solondz ist die erste Episode im Film ein Heimspiel: Schon immer zeigte er den Zuschauern die finsteren Auswüchse der US-amerikanischen Vororte, am populärsten in seiner Groteske "Happiness", die diesbezüglich nicht selten als das bessere "American Beauty" bezeichnet wird. Ganz so radikal fällt sein "Wiener Dog" leider nicht aus.

Nach der ersten Episode, die zwangsläufig mit der Abgabe des Hundes zu einem Zwinger endet, nachdem das häusliche Glück zerstört wurde, rettet die Tierärztin Dawn Wiener (Greta Gerwig) den armen Fratz, der ihr auch prompt zu einer Verabredung mit dem offensichtlichen Junkie Brandon verhilft. Dieser will seinen weit entfernt lebenden Bruder besuchen, um vom Tod ihrer Mutter zu berichten. Die zweite Episode hat im Gegensatz zur ersten Road-Movie-Charakter und erzählt, wie die ungleichen Reisenden von einer skurillen Situation in die nächste geraten. So nehmen sie zum Beispiel eine mexikanische Straßenbahn mit, die das Leben in Amerika ganz (schlimm) traurig finden, wie auch ohnehin alles betont trist ausfällt. Brandon spritzt sich heimlich was im Bad, während Dawn nicht weiß, wie sie an ihren unnahbaren Begleiter herankommen soll. Letztlich bleibt der Wiener Dog bei Brandons Bruder (der im übrigen das Down Syndrom hat). Wie der Dackel zu seinem nächsten Besitzer kommt, wird nicht erwähnt. Es erscheint auch unwichtig angesichts der Zwischenblendung, die den wandernden Hund vor abseitigen Rückeinblendungen (unter anderem die Prärie oder ein Stripclub!) zeigt, was mit einem amüsant generischen Countrysong untermalt wird.

Zwei weitere Episoden folgen, mit denen Solondz von einem frustrierten Drehbuchschreiber (groß wie immer: Danny DeVito) und einer blinden Großmutter (Ellen Burstyn) erzählt, deren vergangene Geister sie heimsuchen. Der besagte Drehbuchautor ist des ausbleibenden Erfolgs wegen zugleich Lehrer an einer Filmakademie mit bemerkenswert scheußlichen Schülern, die ihn letztlich zu einer Verzweiflungstat samt Bombenattrape für Hunde führt. Ob dieser Episode persönliche Erfahrungen verarbeitet? Zumindest zeigt sich in ihr ein Stillstand der alten Garde, während die neue Generation an Filmemachern durch ihre fragwürdige Einstellung samt und sonders zu verdammen ist. Negativ wie immer eben, tja. Der titelgebende Dackel nimmt eine zunehmend bedeutungslosere Rolle ein, ehe er in der letzten Episode auf unglückliche Weise sein Ende findet (aber zugleich in einer Kunstaustellung weiter lebt). Solondz schafft es nicht, sein Publikum zu verprellen. Zwar kristallisiert sich immer wieder eine gewollte Andersartigkeit heraus (Stichpunkt: Fäkalspur, oder die ausbleibende Katharsis der Geschichten), aber besonders radikal ist der neueste Streich des Enfant terrible nun wirklich nicht. Alles plätschert eben vor sich hin. Erschüttern kann das die stoische Ruhe des Wiener Dogs auch nicht.

                                                                 5/10 

Autor: DeDavid

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