Donnerstag, 16. Mai 2013

Er verspielt sein letztes Hemd - Kritik: The Card Player



So manches Spätwerk fällt qualitativ etwas ab. Nicht wenige einst genreprägende Regisseure sind nur noch ein Schatten ihrer selbst und versuchen in regelmäßigen Auswüchsen an ihr einstiges Schaffen anzuknüpfen Was bei Konsorte John Carpenter (mehr oder weniger) schon in den Neunzigern begann, setzt hingegen bei Giallo-Maestro Dario Argento erst ab dem Millenium ein: Die völlige inszenatorische Planlosigkeit.



Der Tiefpunkt bis dato IL CARTAIO folgte dem schon relativ unansehnlichen NON HO SONNO. Doch was genau macht ihn so unzulänglich? Der Plot kreist um einen Frauenmörder, der seine Opfer entführt und anschließend in Onlinepokerrunden mit der Polizia um ihr Leben zockt. Die Ermittler leisten ihr bestes, um schlimmere Auswirkungen zu verhindern und versuchen – das männlich/weibliche Protagonistengespann wie schon in Argentos Opus Magnum PROFONDO ROSSO - den Killer auszuspüren. Klingt nach einer schwachsinnigen Prämisse, die nicht unerheblich dem zeitgleich erschienenen SAW (vor allem aber dessen Sequels) ähnelt. Womit die Probleme auch schon anfangen: In der ersten Hälfte tritt der Killer höchstens hinter seiner Tastatur in Erscheinung. Die Bedrohung scheint unendlich fern zu sein, was die kaum vorhandene Atmosphäre zusätzlich beeinträchtigt. Auf einem winzigen Webcamausschnitt sind die gefesselten und geknebelten Frauen zu sehen. Das Pokerspiel selbst mutet grafisch wie zu SNES-Zeiten an. Später gibt es Tötungssequenzen zu bestaunen, die zwar makaber ausfallen, doch im Rückblick zu der atemlosen Hatz um Leben und Tod in früheren Werken eher enttäuschen. Stichwort Enttäuschung: Claudio Simonetti, der zusammen mit seiner Musikergruppierung Goblin (SUSPIRIA, PHENOMENA) allein schon als handfester Grund ausreicht, um sich Argentos Filme anzusehen, enerviert hier gehörig mit unwürdigem Technogehämmer. Haben einige gestandene Stücke und Melodien der Italiener eine Affinität zu dieser Musikrichtung, so ist es diesmal eindeutig zu viel des Gutgemeinten. Schwergewichtiger sind zudem unübersehbare Logikanschlüsse und Unstimmigkeiten. Gialli sind zwar nicht für eine lückenlose Story berüchtigt, sowie schauspielerische Leistungen gemeinhin vernachlässigbar sind, wenn aber schon nach kurzer Laufzeit der Täter erahnt werden kann, kann man nur schwerlich Whodunit-qualitäten zusprechen.





Nicht falsch verstehen. An der Front gibt es dann doch halbwegs positives zu berichten: Für Ulk sorgen ein steppender und Operetten schmetternder Leichenhausangestellter als auch ein junges Pokerass, das bald zur Bewältigung der Partien hinzugezogen wird. Argentos Gespür für leicht abseitige Figuren vermag noch immer zu gefallen. Den einhelligen Vorwurf, man habe es mit einem Fernsehthriller zu tun, kann ich nicht bestätigen. Selbst einen miesen Giallo würde ich noch über kommissarische TV-Ausflüge stellen. Irgendwie zumindest. Dass Argento mit zeitgenössischer Technologie nicht viel anzufangen weiß und erschreckend unbedarft damit hantiert wird, überträgt ebenso einen gewissen kruden Charme. Nichtsdestotrotz der bis dato schlechteste Argento, der diesbezüglich nur noch von späteren Katastrophen wie dem wirren Abschluss der Drei Mütter-Trilogie LA TERZA MADRE oder eventuell seiner DRACULA-Adaption (man munkelt von einer Heuschrecke) eingeholt werden kann. Wo ist der große Auteur mit der genuinen Bildsprache nur abgeblieben?


                                                              3 / 10 
  
Autor: DeDavid

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