Mittwoch, 18. November 2015

Short Cuts - Geschichten von der Jugend: Boyhood & Die Maske


Boyhood (2014)


Wo soll ich anfangen? Es ist ein durchweg warmherzig erzählter, dezent bleibender und liebenswert gestalteter Film über das Heranwachsen eines Jungen, aber nicht nur eines Jungen, sondern auch das Heranwachsen und Altern seines gesamten Umfelde, das heißt, dass manches von Linklater wieder in die Geschichte miteingeworben wird (der Musikerfreund des Vaters; der Spanier, der dank der Mutter sein Leben geändert hat, was freilich stark abgedroschen ist), manches nicht (was wurde aus dem Bruder und der Schwester der Patchworkfamilie? Was wurde aus den alten Freunden?). Es ist ein Film, der voller kleiner behutsam und mit fast naiver Neugier verpackter Momente steckt, popkulturelle Verweise nicht außen vor lässt über die Jahre und deren Phänomen bebildert (Star Wars, Harry Potter, Facebook, Gameboys, ...). Richard Linklater liefert den Rundumschlag einer Kindheit und Jugend. Er findet eine wunderbare Banalität, schildert mit leiser und oft auch humorvoller Sanftmut, auch wenn man sich erst einmal in den Film hineinfinden muss, wenn Linklater den Zuschauer plötzlich in den Film hineinkatapultiert. Am Ende hat man aber eine Reise unternommen, vielleicht sogar Revue über sein eigenes Leben passieren lassen. Es ist ein wechselhafter Film, der eine offene Form wählt, bei dem Linklater kleine Abschnitte in der Kindheit seines Protagonisten heraussucht, etwas herausgreift und die Entwicklung beschreibt. Dabei streift er viele Aspekte. Er fängt den flüchtigen Moment mit der Kamera ein und hält ihn fest. Schön ist da natürlich, dass sich das Ganze nicht narrativ in Muster pressen lässt. Jedoch muss auf der anderen Seite Linklater vieles kurz herunterbrechen. Es beschäftigt einen aber, da er zweifellos Fragen im Raum lässt (war der Junge, den Mason auf der Schule als erstes kennen lernt auch der Junge, der ihn nur wenig später im Film in der Toilette piesackt? Wurden sie Freunde? Haben sie sich entzweit?), er weckt Assoziationen, lässt spekulieren über das, was passiert ist, über das genaue. Er lässt klare Andeutungen auf bestimmte Lebensschemata fallen. Das macht den Film schon zu einem einmaligen Projekt, bei dem man sich auch fragt wie stark sich Linklater an dem jungen Darsteller, sich selbst und seiner Persönlichkeit bei der Entwicklung orientiert hat? Irgendwann nämlich beginnt beginnt sich das Gefühl einzustellen, dass man diesen Protagonisten, den man über den Film als Begleiter verfolgt hat, nicht mehr genau versteht, weil manche Aspekte leider aus der Luft gegriffen werden (Die Fotographie, die experimentellen Phasen des Jungen), das bleibt in der Schwebe und man beginnt sich zu fragen: Wer ist er? Wie kam er dorthin? Vielleicht verallgemeinert Linklater an dieser Stelle auch schlichtweg nur, was ich im Sinne des Konzeptes durchaus nachvollziehen kann. Der Film lebt vor allem durch seine fein entwickelten und im Rahmen des Konzeptes treffenden Einzelmomente, in denen man einen persönlichen Wiedererkennungswert finden kann, womit er Emotionen wecken, weil er Möglichkeiten bietet.

7.5 / 10


Die Maske (1985)


Bogdanovichs Film erzählt die Geschichte von Rocky, eines im Gesicht durch eine Krankheit entstellten Jungen, der hinter dieser Fassade ein kluger und gutmütiger Kerl ist. Es ist eine typische Außenseitergeschichte, die Bogdanovich mit Herz sanft und zugleich warmherzig erzählt. Es ist eine Geschichte über das Leben, Toleranz und Akzeptanz, die Rocky bei den Freunden seiner toughen Mutter (Cher in ihrer besten Rolle?) findet, einer Gang von Motorradfahrern, die natürlich damit selbst eine Gruppe von Außenseitern darstellen, weil sie unter sich bleiben. Sie sind für ihn seine Familie. Es ist bemerkenswert wie unbefangen und aufgeweckt der Einstieg in die Geschichte ist und dass Bogdanovich dem Ganzen mit Humor und Resistenz begegnet. Zunächst führt er gediegen in Rockys Leben ein. Er zeigt sein Umfeld, seine neue Schule und einen Arztbesuch, der eher eine erklärende Funktion im Film einnimmt. Bogdanovich geht es hier darum Rocky als ganz normalen Jungen zu skizzieren, der als Beispiel Träume von einer Reise durch Europa hat oder mit Begeisterung Baseballspielkarten sammelt. Seine Geschichte ist eigentlich im Kern eine gewöhnliche Coming-of-Age-Story, denn die Ablehnung von Rocky, die misslichen Blicke ihm gegenüber, durchziehen zwar den gesamten Film, das aber oftmals eher am Rande, womit Bogdanovich viele Klischees umschifft, so zum Beispiel, indem Rocky seinen Klassenkameraden schnell sympathisch wird. Und da gibt es natürlich noch die typischen Themen der Geschichte: Die erste Liebe und der Streit mit der Mutter, die ihre Drogenprobleme zu bewältigen hat (während Rocky im Sommercamp ist), was von Bogdanovich im Ganzen aber auch eher gestreift wird. Denn größtenteils vermittelt Bogdanovich hier Optimismus. Irgendwie bleibt der Film aber somit auch recht zahm.

6.5 / 10




Autor: Hoffman 

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