Mittwoch, 23. Dezember 2015

Eine einfache Geschichte - Klassiker der Extraklasse: Ein Mann und eine Frau (1966)



Ein Film über die Liebe. Ein Film über einen Mann (Jean-Louis Trintignant) und eine Frau (Anouk Aimeé), beide schätzungsweise 35. Noch ist alles möglich für sie. Er hat einen Sohn, den er das Auto mit offenen Verdeck im Dezember fahren lässt, während er scherzend seine Zigarre raucht und das »Time«-Magazine liest. Sie hat eine Tochter, mit der sie am Strand spazieren geht, ein bisschen weiter schlendert und ein Stück Kuchen kauft. Beide Kinder gehen auf das gleiche Internat. Beide sind intelligent, aber faul. So treffen sie sich. Sie verpasst den Zug. Er nimmt sie mit. Sie erzählen voneinander, von ihrem bisherigen Leben, enthüllen aber nur langsam das ganze Bild. Eine Begegnung, eine Ehe, ein Kind, nichts besonderes. Den Mensch, den man liebt, der kann aber einmalig sein, meint sie. Er ist Witwer und sie ist Witwe. Ihr Mann war Stuntman beim Film. Er ist Rennfahrer, deren Frau Selbstmord beging. Sie verabreden sich öfters, verbringen Zeit miteinander in Cafes oder auf Booten.



Es ist diese vortreffliche Einfachheit, die in den kleinen Dingen so viel Schönheit und Faszination gibt, die den Film auszeichnet. Claude Lelouch interessiert sich für die Menschen. Es ist ein sanftmütiger und zärtlicher Film, der leise daherkommt und getragen wird von Francis Lai´s geschmeidiger Musik, die auch eine eingängige Melodie parat hat. Es ist ein Film, der einen zunehmend in seine kleine Erzählung zieht. Es ist aber auch ein spielerischer Film, bei der Lelouch beweglich mit seiner Handkamera agiert und damit oftmals Dichte zu den Figuren vermittelt. Er wechselt (wenn auch eher den Produktionsbedingungen geschuldet) Schwarzweiß und Farbe und springt von Gegenwart zur Rückblende oder zur Vorstellung der Protagonisten, die nicht ausgesprochen wird, sondern (durchaus auch augenzwinkernd) visualisiert wird. Sein Film ist liebenswürdig-banal durch seine provisorisch erscheinende Form, die in den Dialogen oder Situationen liegt, die Lelouch zeigt. Ebenso steckt in den Dialogen auch etwas selbstreflexives: Warum wird als Beispiel der Film nicht ernst genommen, wenn man sagt, das ist wie im Kino? So reden die Darsteller als ihre Figuren außerdem noch über die Vorstellung, dass sie bei einem Film arbeiten würden. Und natürlich vertieft sich Lelouch auch viel in seine Leidenschaft des Rennsports, wenn er seinem Protagonisten bei seiner Arbeit zuschaut, aber gleichzeitig auch mittendrin im Geschehen ist, und seiner Leidenschaft für Autos fröhnt, die er hin- und herfahren lässt.



Die Figuren verbringen Zeit miteinander, verbringen Zeit ohne einander. Sie ist am Set von einem Film. Er fährt die Rallye-Monte-Carlo (an der Claude Lelouch wirklich teilnahm für diesen Film). Sie schickt ihm ein Telegramm, in dem steht: Ich liebe dich. Sie ruft, er kommt. Sie schlafen miteinander, sie trennen sich wieder (Lelouch wechselt kurz ins Melancholische), weil sie nicht (noch) nicht bereit ist für einen neuen Mann. Er fragt sich: Was würde er anders machen? Was könnte er anders machen? Wie wäre es weitergegangen? Beide denken sie nach, entdecken durch diesen kurzen Moment der Trennung ihre Liebe und versuchen es noch einmal. Eine romantische Umarmung am Bahnhof beschließt das Glück. Fragt sich nur, wie diese einfache Geschichte von einem Mann und einer Frauen nun weitergehen wird oder würde. Claude Lelouch meinte in Bezug auf diese Geschichte, dass es eine Geschichte ist, die er selbst gern erlebt hätte, aber wahrscheinlich nie erleben wird.


7.0 / 10

Autor: Hoffman 

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