Dienstag, 16. Oktober 2012

Romeros Hausfrauenhexe von Pittsburgh - Alte Schinken Edition: Season of the Witch (1972)




»I´m a witch!« - Nein, hierbei handelt es nicht um den im Jahre 2011 angelaufenen Blockbuster ( = Der letzte Tempelritter) mit Nicolas Cage (der das Geld mal wieder brauchte), sondern um einen (scheinbar vergessenen) Film von George A. Romero, obgleich dieser mit facettenreichen Titeln beworben wurde im Jahre 1972 wie natürlich heute noch beworben wird, ob nun als »Hungry Wives«, den eher abwegigen »Season of the Witch« (dessen Ursprung sich auf den gleichnamigen Titelsong von Donovan stützt; mir persönlich sogar noch am meisten zusagt) oder als »Jack´s Wife« (Romeros Titelfavorit), wie man es auch dreht und wendet - Romeros Film stammt aus einer schwierigen Epoche seines Schaffens, in der heutzutage die meisten Filme in Vergessenheit geraten sind - vielleicht nicht zu Unrecht, wenngleich auch erfolgsbedingt. Denn nach seinem fulminanten Erfolg von »Night of the Living Dead«, experimentierte Romero mit seinem eigenen Stil. Nach dem bereits die die zuvorgehende Liebeskomödie(!) »There´s always Vanilla« floppte, versuchte Romero zumindest wieder im angetrauten Genre (dem Horror) seinen Platz zu finden mit diesem Film.



Problematisch zu damaliger Zeit die Produktion (gedreht in Pittsburgh), durch zeitweise fehlendes Kapital. Somit meinte Romero heute, dass »Season of the Witch« der einzige seiner Filme seie von dem er sich gerne ein Remake wünsche, die Idee gefiel, nur das Geld wollte nicht fließen, womit Romero auch improvisierte und nicht all seine Visionen seitens des ambitionierten Projektes verwirklichen konnte. Genug Geschichtsstunde. Denn auch bei Romero wirds obskur, wenn er Fellini und Buñuel (wesentlich mehr er) referiert! Was fragt man? Romero wird surrealistisch?! Freilich und das sogar gleich zu Beginn. Jene Traumsequenz mutet zwar (dank unwirklichen, verzerrten Klängen) anstrengend an, ist zugleich aber hochinteressant zu betrachten (nicht nur in Romeros Schaffen) und fasziniert durch Befremdlichkeit der trockenen Szenerie (fast fühlt man sich an Buñuels »Belle De Jour« erinnert), angerichtert mit vielerlei Symbolen und Metaphern (jeweils kaum vollstandig zu entschlüsseln). Alptraumartiger Surrealismus! Verwirrende Schnitte. Groteskte Züge, reihen sich neben seltsamer Nachwirkung und Frauen in Käfigen als Zeichen der Unterdrückung der Frau. Durch Mann, gesehen als Tier, nicht als Gleichberechtigte! Ja, dies ist wohl Romeros größter und deutlichster Emanzpiationsstreifen. Zeitgeistig wie meist bei Romero verankert. Jedoch bis auf jene hervorstechende Sequenz bleibt Romeros erstaunlich unspektakulär.

Was auch hier einen Bezug zu Romeros Frühwerk zwischen »Night« und »Dawn of the Dead« knüpft. Am vergleichbarsten wäre hier bei die inszenatorische Parallele zu Romeros »Martin« (1977). Beide funktionieren von ihrem Grundschema recht ähnlich, wenngleich Martin in seiner Tristesse wesentlich ausgefeilter wirkt, wo »Season of the Witch« teils noch ziemlich hölzern und ungelenk ist. Doch erweisen sich auch hier Romeros minimalistische Mittel als hilfreich, da durch jene triste und trostlose Kulisse dies zugleich den Seelenzustand von der Protagonistin Joan Mitchell wiedergibt, was dem Ganzen sogar eine gewisse Natürlichkeit einräumt. Geplagt von ihrem Alpträumen und gelangweilt von ihrem Leben. Die Faszination an der Hexererei bringt schließlich den Ausbruch aus dem Alltag und die Emanzipation ihrerseits, durch die Machtposition, die dadurch einnimmt gegenüber dem männlichen Geschlecht, dabei auch storytechnisch mit direktem Verweis auf Polanskis »Rosemaries Baby«.

Doch für Romero gilt (im Grunde wie immer) weniger der Okkult, als denn die Menschen und Charakteren dahinter. Das vermag zwar auch der Grund zu sein, dass  so manche Schauersequenz teils aufgesetzt sein möge, wenngleich dabei (auf ihre abwegige Art) wirksam. Wenn Romero mit expressionistischen Schatten und dunklen Nächten spielt, langsam die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen lässt - in Zwiespalt seine Protagonistion beleuchtet - und durch geliebte Metaphern und Symbolik Akzente setzt. Meist dienen Romero die surrealistischen und alptraumartigen Sequenzen um die Ängste (wie das gealterte Alter Ego im Spiegel), ihre innere Einsamkeit oder ihre Stellung in der Familie zu verdeutlichen (der Hauseindringling mit der Maske kann als [so seltsam ich das jetzt auch finde] Furcht vor ihrem eigenen Mann gedeutet werden) - Romero bricht ironisch, wenngleich dies alles andere als subtil vermittelt wird. Meist ziemlich holzhammerhaft und steif. Sieht man von der andererseits auch ziemlich chiffrierten Symbolik ab. So werden Träume zur Wahrheit oder sind diese gar Visionen, Schreckensbilder der Zukunft?



Einen weiteren Vorteil - den sich Romero dadurch verschafft - wie später in »Martin«- ist aber auch, dass er seine Protagonistin den Interpretationen des Zuschauers überlasst, anders gesagt ambivalent zeichnet. So bleibt es unklar, ob diese nun eine wirkliche Hexe seie oder nur in ihrer eigenen Phantasie lebe (wer Romero und sein Schaffen kennt, weiß die pessimistischere Opposition einzunehmen), stets andeutungsvoll, nie bestätigend. Ganz so sonnig wie ich ihn vorzugsweise beschrieb, wobei ich auch schon Konträre hinterließ, ist er dann aber doch nicht. So hochinteressant dieser Romero auch in seiner gesamten Ambition sein mag, so spröde und plump ist er auch mit einem feministischen Männerbild und seiner handlungstechnischen Irrung, die irgendwie nur ein roter Faden ist, der irgendwie Realismus sein möchte, was irgendwie nicht funktioniert, sondern streckenweise belanglos anmutet. Aber wollen wir halten, den kennt eh keiner, der brauch nicht noch zerissen zu werden! Die Leute sollen sehen! Die Menschheit muss über Romeros gefülltes Schaffen aufgeklärt werden und es ihnen angepriesen (wenn auch nicht durchweg) werden! Zumindest eines lasst mich sagen: Die anfängliche Traumsequenz bleibt unvergessen, obgleich sie nur kopiert ist. Doch wofür gibt es Fans? Die vergeben und vergessen. Der hat dann ja doch seine Vorzüge. Und zum Glück zähle ich mich zu ihnen - also seitens Romero.





5.5 / 10

Autor: Hoffman

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