Mittwoch, 23. Mai 2012

Ätzender Nonsens innerhalb einer eingeschworenen Bruderschaft- Kurzkritik: The Football Factory

"Problem was, he'd taken so many beatings on the terraces that he weren't scared of anyone. And the correct medical term for that is a 'total fuckin' psycho'."




"Trainspotting"-Zynismus, "Bube Dame König GrAs"-Wildheit und "Fight Club"-Anarchieruf filternd und inhalierend, inszeniert Nick Love die Analyse von Männerkultur. Beißende Dialoggefechte, harte Keilereien, treibender Elektro Rock, notorische Diebstähle, pathologisches Schnupfen, psychische Zerrüttung: "War es das wert?" Eine Endzwanzigergeneration, die nur fürs Wochende lebt, erfährt den Lebenssinn in nackter Gewalt. Jungen aus dem falschen Viertel folgen gezwängt in den autoritären Kontext der "Firm" blind dem Wort des Anführers, primitiver Instinkt herrscht über rationalem Abwägen. Ein stilbewusster Danny Dyer ist Voice-Over Sprecher und Hauptdarsteller, geistiger Nachfolger von McGregor und Norton mit Chelsea-Affinität zum Kaschieren seiner Hooligannatur; sich in Sinnfragen und Ziellosigkeit verlierend, herumirrend zwischen Friedhof, nationalistischen Taxifahrern, Blackouts, schlechten Freunden, alptraumhaften Visionen und seinem trauerndem Großvater, schwindet der sonst so solide Boden aus Ehrenkodex und Gelegenheitssex unter seinen Füßen. Durchschnittlicher Bürger, der unbescholten im Blumenladen um die Ecke arbeitet, streift nach Dienstende die harmlose Fassade ab, um zum Schläger zu mutieren. Kurzweiliger Kick steht über langfristiger Beziehung, faschistischer "Wir-Gedanke" über echter Freundschaft. Zusammenhalt baut auf dem kollektiven Ziel, dem mit der anderen Herkunft die Fresse einzuschlagen, Arbeits- und Gefühlsmontonie der ersten fünf Tage mit energischer Frustentladung am Week-End zu kompensieren.


Das erschütternde Sittengemälde einer Subkultur, in der intoleranter, unreflektierter Gemeinschaftssinn eines "American History X" auf hippen Ritchie-Style trifft. Grossbritanniens Undergroundszene kommuniziert mittels Gewalt, nach dem Motto: Ein (schweiß- und blutnasses) Bild sagt mehr als tausend Worte. Warum prügeln sich diese Männer regelmäßig die Knochen blutig, wenn zu Hause ein Ehemann oder Familienvater gebraucht wird? Es ist die Sehnsucht, zu spüren, wie unter den eigenen Fäusten der Kiefer des Gegners zerbricht. Weil das Schmecken des eigenen Blutes ein Bedürfnis stillt, dass kein Geld, kein materieller Luxus jemals befriedigen kann. Weil die Ekstase des Schulter an Schulter Marschierens und die Schlägerei als unbeschreiblich gutes Scheingefühl (deswegen konsequenterweise auch im überschwänglichen, glorifizierendem Discolicht präsentiert) in den Adern pocht, man gehöre etwas Großem, etwas Bedeutendem an, wo man seinen Platz hat. Wo man gebraucht wird. Keine Sucht nach Drogen zwar wie bei Boyle, aber eine Sucht. Und damit Verhängnis.


8.5 / 10

Autor: seven

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