Freitag, 8. Januar 2016

Aus dem Leben von Taugenichtsen - Klassiker der Extraklasse: Die Müßiggänger (1953)




Die Geschichte von Fellinis »Vitelloni«, das ist die Geschichte von immer noch Heranwachsenden, von jungen Männern, die schon weit darüber hinaus sein müssten, es aber nicht sind, die immer noch nichts tun, noch wachsen müssen. Sie verweilen im Nichts. Sie sind Faulenzer, Flaneure, lockere Vögel, Taugenichtse, die umherstreifen durch ihre Provinzstadt am Meer, die Fellini seiner eigenen Heimatstadt Rimini, wie später in noch so vielen seiner Filmen, nachempfunden hat: Ein Casanova, ein zerrütteter Intellektueller und Autor, den keiner zu verstehen scheint, ein gezierter Kerl, der noch bei seiner Mutter und bei seiner Schwester zuhause lebt, ein kräftiger Tenor und ein junger und stiller Träumer, Moraldo, der zu den Sternen schaut und noch am ehesten als Fellinis Alter Ego in dieser Geschichte zu verstehen ist. Der Casanova Fausto hat die Schwester von Moraldo geschwängert, will eigentlich schon die Flucht ergreifen und muss sie aber heiraten und sich neuen Herausforderungen stellen, denen er scheinbar nicht gewachsen ist, denn er kann auch nach der Heirat nicht die Finger von den (anderen) Frauen lassen. Das, was sich zwischen Fausto und Moraldo´s Schwester abspielt, das, was ihre Heirat mit sich bringt, das bildet den roten Faden von Fellinis Film, der daneben dramaturgisch eher ungezwungen und episodisch einen Blick auf diese Gruppe von jungen Männern wirft, denen ein Ziel fehlt.



Sie arbeiten nicht, sie leben nicht wirklich, sie vertreiben sich nur die Langeweile, spielen Billard, vergnügen sich auf Festen und Feiern, träumen von der Zukunft, die aber fern von der Realität ist. Die namenlose Stadt, in der sie leben, ist ein Kosmos, in den sie sich zurückgezogen haben und nicht verlassen wollen, weil sie ihn sich gemütlich eingerichtet haben. Sie wollen nicht in die Welt dort draußen gehen. Beim Stil des Films, da fühlt sich Fellini noch dem Neorealismus nah, setzt auf eine schlichte und naturalistische Bebilderung, mit der er durchaus triste Eindrücke der Stadt wiedergibt, wenn diese Herumtreiber nachts durch die wie ausgestorbenen Straßen streifen und herumalbern oder schlichtweg grüblerisch auf die Wellen des Meeres starren. Es ist ein Film, den Fellini mit leise-liebenswerter Ironie vorträgt, durchaus auch sanftmütig zu erzählen weiß und bei dem er auch hin und wieder, aber immer nur wirklich kurz, einen Off-Kommentator mit einfließen lässt, der mehr eine erklärende Funktion hat, er soll einzelne Punkte bestimmt klären. Dabei ist es ein tragischkomischer Film, bei dem Fellini tänzerisch zwischen leiser Wehmut und fröhlicher Munterkeit, heiterer Überschwänglichkeit (wie bei einem Karnevalfest), absurder Komik und dezenter Melancholie wechselt. Es ist wie ein Wechselspiel, wie im Leben, in dem es auf und ab geht. Nur einer von ihnen bricht schließlich eines Morgens auf, lässt die Stadt hinter sich und fährt mit dem Zug in eine offene Zukunft, während die Anderen noch weiter in ihren Betten schlummern.

7.5 / 10

Autor: Hoffman 

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