Mittwoch, 26. November 2014

Die Gegenwart - Kritik: Frau fährt, Mann schläft (2004)




»Frau fährt, Mann schläft« ist der zweite Teil von Rudolf Thomes Zeitreisen-Trilogie, der sich mit der Gegenwart auseinandersetzt. Der Film kreist dabei hin und wieder um die Frage der Zeit und der Gegenwart. Die Figuren stellen Thesen auf oder äußern Vermutungen, so wie Hannelores Elsners Charakter Sue es so verkommt, als passiere alles gleichzeitig. Ansonsten zeichnet sich Thomes Film durch seine Alltäglichkeit aus. Er zeigt das Leben einer bürgerlichen Familie, bestehend aus einem Vater (Karl Kranzkowski), dem Philosophieprofessor Anton, einer Mutter (Hannelore Elsner), die Zahnärztin Sue, und ihren jeweils zwei Söhnen und Töchtern. Thome präsentiert sie als scheinbar glückliche Familie, was er durch einen Fernsehauftritt der Familie in einer Talk-Show zementiert, in der dem Zuschauer auch erstmals zu Beginn die Figuren vorgestellt werden. Er errichtet eine Fassade. Er errichtet eine scheinbar Idylle, die aber wie so oft auch hier eine Lüge ist.



Ein Umzug steht an. Mutter und Vater haben sich auseinandergelebt. Der Vater hat eine Affäre mit dem Hausmädchen und mit einer Studentin, die zudem schwanger von ihm ist. Die Mutter hat ebenfalls einen Geliebten (Hanns Zischler), der ein halbes Jahr nach Chile muss. Sie wird ihn vermissen. Diese Figur bleibt eine interessante Randerscheinung in Thomes Film. Der älteste Sohn der Beiden Thomas wird krank, er wurde kurz vorher von seiner Freundin verlassen. Der Sohn stirbt. Mit seinem Tod gerät das Gefüge der Familie langsam aus seinen Bahnen. Die Mutter erleidet einen Nervenzusammenbruch. Der Tod des Sohnes gibt aber auch den Impuls die Wahrheit zu enthüllen und die eigenen sowie die Lügen des Anderen aufzudecken. Sue fragt, ob es vielleicht die Lügen waren, die ihren Sohn krank gemacht hätten? Sie versuchen die Situation zu bewältigen und wieder zueinander zu finden, während die anderen Familienmitglieder ihre eigenen Wege gehen, Beziehungen aufbauen und weiterführen. Sie versuchen ihr menschliches Glück für sich zu finden oder wiederzufinden. Thome entwickelt die Gegenwart mit geruhsamer Langsamkeit. Sein Blick auf die Figuren und Dinge ist abgeklärt-distanziert, aber auch akkurat, hier und da streut er trockenen Humor mit in die Geschichte ein. Es ist ein ruhig komponierter Film, dessen Bilder unauffällig und ausgeglichen sind. Thome beschreibt das Leben als einen Ameisenhügel, wenn ein kleiner Junge einen Stein in den Ameisenhaufen wirft, dann bricht ihre Welt zusammen, es kommt zum Chaos, die Tiere rennen wie verrückt herum, die Leichen werden fortgeschafft und doch ist in ein paar Sekunden oder Stunden alles wie vorher. Dabei beendet er seinen Film mit einem Blick in eine offene, vielleicht bessere Zukunft.


7.0 / 10


Autor: Hoffman 

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