Mittwoch, 17. September 2014

»I'm a stranger here myself« - Klassiker der Extraklasse: Johnny Guitar - Wenn Frauen hassen (1954)




Gleich zu Beginn weckt Nicholas Ray den Zuschauer aus seinem Schlaf: Wach soll er werden und erleben, was nun folgt, deshalb sprengt er beinahe schon die Leinwand! Im Vordergrund ist die Landschaft, eine Explosion ist im Hintergrund zu sehen, nur das Warum und Wieso kennt man (noch) nicht, wird man erst später erfahren - der Weg wurde für eine bald kommende Eisenbahn freigesprengt. Neue Zeiten brechen an. Das gilt auch genauso für Nicholas Rays Film selbst. Er bricht mit den Mythen des Westerns. Der sorglose Cowboy (Sterling Hayden), der sich Johnny Guitar nennt, trägt statt einer Waffe eine Gitarre bei sich und scheint den Waffen abgeschworen zu haben. Er kommt in einen Saloon, der bei seiner Ankunft wie ausgestorben ist, bald darauf aber prall gefüllt sein wird, dessen Besitzerin Vienna (furios: Joan Crawford) ist. Eine Frau, die wie ein Mann ist und ihren Revolver dominant in der Hand hält. Ihr Gegenpart ist die Landbesitzerin Emma (Mercedes McCambridge), die Vienna als Bedrohung wahrnimmt, auch weil sie eifersüchtig auf sie ist (wegen eines Mannes und Bandenchefs namens Tanzender Ted). In ihr flammt der Zorn gegenüber Vienna hoch, sie ist blind vor Hass. Diese Frauen sind erbitterte Feindinnen. Frauen beherrschen diesen ungewöhnlichen Emanzipationswestern von Nicholas Ray. Crawford und McCambridge liefern sich temperamentvolle Wortgefechte und letztlich wird auch der Showdown zwischen ihren beiden Figuren ausgetragen.



Ray bedient sich bei diesem Western wieder einmal den großen Gesten. Sein Film ist opulent und geradezu opernhaft inszeniert. Ray beschwört die lodernden Emotionen seiner Figuren herauf. Im Zentrum von Rays Film steht aber auch die Liebe, jene, die sich wieder zwischen Johnny und Vienna - nachdem sie sich vor 5 Jahren trennten - entfaltet. Es ist eine breite Palette an Gefühlen, die Ray liefert wie Schmerz, Wut und Hass, aber auch Glück. Er wirft die lebhaften und aufgewühlten Gefühle und Sehnsüchte seiner Figuren auf die Leinwand. Er berichtet über die Einsamkeit seiner Figuren. Es ist diese besondere Verletzlichkeit, die Rays Charaktere auszeichnet. Eine schattige Vergangenheit liegt hinter ihnen. Sie tragen ein Geheimnis mit sich. Johnny ist als Beispiel ein ehemaliger Revolverheld, der seinen alten Namen abgelegt hat. Er konnte Vienna nie vergessen und hofft, dass sie seine Gefühle für ihn immer noch erwidert. Vienna ist eine Frau, die sich etwas erbaut hat und auch bereit ist dafür zu kämpfen. Ihr Saloon ist ihr Heim. »Johnny Guitar« ist eigentlich auch einer dieser Ray-Filme, welcher von der Suche nach einem Heim berichtet, von der Suche nach Ruhe, Harmonie und dem gemeinsamen Glück. Es ist durchaus auch ein Film über das Bleiben und Gehen. Nicholas Rays Werk ist also ein kraftvoll erzähltes, überschwängliches und grelles Melodram, welches in der Verpackung eines Western steckt, und geballte Leidenschaft auf der Leinwand in all seiner Deutlichkeit zeigt.


8.0 / 10

Autor: Hoffman 


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