Freitag, 23. Mai 2014

Die Suche nach der Wahrheit? - Kritik: JFK - Tatort Dallas (1991)



»Haben sie keine Angst. Niemand erfährt je ein Wort wovon wir hier reden.« - »Sie sind so naiv.« -Immer wieder aufs neue fühle ich mich regelrecht von diesem Film von Oliver Stone erschlagen. Es geht um die Ermordung von John F. Kennedy. Stone scheut weder Rast noch Ruhe, noch recherchieren und verliert im Film selbst keine Sekunde - konfrontiert mit den Geschehen! Man selbst ist mittendrin! Sofort setzt Stone den Zuschauer ins Bild, informiert zügig und kompakt, vermischt mit einem tosenden Bilder- und Schnitterausch. Dann rekonstruiert Stone die wenigen Minuten vor dem Atttentat bis zum Schuss. Schon hier verknüpft er meisterhaft Spielfimsequenzen (sogar in Schwarz-Weiß) mit Originalaufnahmen, wüst mag das anfangs wirken, aber in präziser Betrachtung ist das zugleich in seiner Intensität der Schnittarbeit einzigartig bewerkstelligt, als wäre man direkt im Geschehen. Die Täuschung ist vollendet. Doch für Stone war dies gerade erst der Startschuss um vollends durchzustarten: Die Figur des Staatsanwaltess Jim Garrison (Kevin Costner mit Pfeife, durch dessen Brillengläser der pure Enthusiasmus blitzt), frei interpretiert nach der wahren Persönlichkeit des Garrison, wird zum fraglosen Symbol für das Gefühl des skeptischen Amerikaners gegenüber der Ermordung Kennedys, aber auch zur Sympathiefigur. Dabei hervorstechend bei den Bildern ist das grandiose Spiel mit den Licht- und Schattenbeleuchtung wie auch den Kontrasten dazwischen, um die Vergangenheit zu beleben. Es folgen Medienberichte über Attentat und Schuldigen, Stone spinnt seine Fäden und beweist Stil mit der Kombination jener einzelnen Faktoren, von Bild und Schnitt in Verbindung mit der Montage von Realität und Fiktion, wechselnden Formaten und Perspektiven. Jack Ruby ermordet Oswalt und schon fällt der erste Stein.



Walter Matthau bringt das Rad dann schließlich zum laufen, das Getriebe Costner läuft zur Höchstform auf. Sein Team: Wayne Knight, Jay O. Sanders und Michael Rooker. Nun also verdichtet Stone immer weiter das Netz zwischen Wahrheit und Trug, bis die Grenzen kaum auszumachen sind, wenn Stone auch noch zu geschickten Rückblenden greift. Sie suchen die Zeugen, Staub (mit großen Stars) wird aufgewirbelt. Die Zeugen befragt: Jack Lemmon gibt dann das Stichwort, gibt sich verschlossen. John Candy warnt davor der Hahn zu werden nach dem niemand mehr Krähen wird. Man selbst wird zugeschmissen mit Informationen und Theorien, die energisch präsentiert werden. Apropos: Kevin Bacon gibt es in einer Paraderolle. Wilde Theorien werden nun aufgestellt, weiter verfolgt, beleuchtet und genau untersucht, um zu verwerfen, um zu entmachten und um sie wieder aufzugreifen, erneut aus einer vielleicht anderen Betrahtungsweise. Überall gibt es Verstrickungen und Verschwörungen, nicht immer logisch, teils interessant, teils banal. Überall dem scheint die zwielichtige, präsente Gestalt des Clay Shaw (exklusiv: Tommy Lee Jones) zu schweben. Ein Strippenzieher? Er ist auf jeden Fall Geschäftsmann. Und mittendrin im Strudel der Verschwörungen, ein Joe Pesci zwischen den Gefühlen, cholerisch oder verängstigt und unter großem Druck, zugleich paranoid, der qualmt wie kein anderer und vielleicht ist auch er ein Wissender des Rätsels. Dann aus dem Nichts ein Informant, ein Mr X., Donald Sutherland ist dieser mysteriöse Mann.



Die richtigen Fragen werden gestellt: Denn wieso? Wieso wurde Kennedy ermordet? Wer proftierte? Und wer hatte die Macht? Dieses Gespräch zwischen Mr. X und Garrison ist eines der großen Höhepunkt in Stones Werk. Gerade hier wird einem doch aufs neue bewusst wie virtuos Stone mit Bild, Ton und Schnitt arbeitet. Stone filmt etwa nicht nur den Dialog zwischen Costner und Sutherland, sondern involviert den Zuschauer in das Geschehen durch Visualisierung, in dem er die Worte Sutherlands durch eine Kombination von Originalaufnahmen, eigenen (meist) schwarz-weiß Sequenzen oder Archivbilder unterstützt, was demnach rauschhaft wirken dürfte. Dann folgt die These: »Politik ist Macht.« - Der Fall Kennedy ist ein Königsmord. - Garrison bleibt fassungslos. Prozess, Diskussionen und patrotische Reden folgen, mit Schlagkraft und Überzeugung. Das Ende bleibt der Anfang. Eine verinnerlichte Verfolgung am Stück so gut wie unmöglich. Zugegeben: Stone manipuliert, aber wie er manipuliert bleibt fraglos brillant. Ja, Stone wickelt einen ein und lässt einen nicht los, doch mal ganz abseits davon, bleibt Stones Film in aller erster Linie ein wohlgemerkt reißerischer Polit-Thriller. Stone nahm sich dabei also auch viele Freiheiten mit dem Stoff, fügte Charaktere hinzu, änderte Charaktere und stellt Garrison selbst als makellose Sympathiefigur und Patrioten dar, in der Realität sah das vielleicht ganz anders aus. Doch ist dabei wie gesagt zu beachten, dass Stone´s Garrison zwar einer realen Persönlichkeit nachempfunden sein mag, er ist und bleibt aber schlussendlich eine Filmfigur. Dies gilt übrigens auch für Stone´s gesamten Film, ob dies Manipulation oder Fälschung ist, bleibt irrelevant, denn Stone versteht es eben diesen Stoff für das Kino zu schmackhaft zu bearbeiten und zu präsentieren. Insofern funktioniert »JFK« zwar auf mehreren Ebenen, der Realismus dahinter bleibt aber dennoch sekundär. Nur die Einstreung der familären Verhältnisse von Garrison steht weiterhin unter kritischer Beobachtung. Sie mag durchaus dazu dienlich sein Garrison tiefer zu charakterisieren, doch werden die familären Konflikte meist oberflächlich abgehandelt. Das wirkt auf mich etwas deplatziert und unpassend, besonders wenn Sissy Spacek als Ehefrau auf einen hysterischen Status Quo reduziert wird. Wenigstens präsentiert Stone auch das hochspannend - wie bereits alles davor und danach in »JFK«.



8.5 / 10

Autor: Hoffman

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