Freitag, 26. Juli 2013

Hitze, Kälte und Danny Boyle im Weltraum - Kritik: Sunshine (2007)




So kann es eben auch manchmal laufen: Da will man noch kulanter, als man eh schon ist, erneut auf einen Film blicken und dann passiert so etwas, man findet am Endprodukt noch mehr Mängel als zuvor. Pech gehabt, lieber Danny Boyle! Das ist wohl eine Laune des Schicksals. Aber das soll hier ja ein konstruktiver Beitrag werden, am Anfang also immer positiv denken: Ich spreche von den Bildern und von der Kamera, die um das Raumschiff schwebt oder eigensinnig durch die Gänge des Raumschiffs streicht oder einfach nur die Protagonisten beobachtet, auch wenn das zeitweise etwas unkoordiniert oder eben nur etwas sprunghaft geschnitten wirkt. Die Ausgangssituation der sterbenden Sonne, bei der Boyle auch Vorbilder von »Alien« bis »Event Horizon« (und dazwischen jene Werke von philosophischer Natur) modelliert, verpackt er visuell äußerst passend, er suggeriert zunächst Ruhe, Stille und Stillstand, der Weltraum ist lautlos geworden. Die Optik hat den Stil inne, die befremdlichen Bilder spalten sich, sie sind steril und vielleicht maschinell im Raumschiff, die Kälte regiert. Es fehlt diesem Universum an Wärme. Die Sonne selbst bildet den Gegenpol der Hitze, der Flammen und der Verbrennung.



Das visualisiert Boyle auf eine spannende Weise. Es sind jeweils zwei Extreme, die tragend in seiner Inszenierung sind: Die Bestandteile von Feuer und Eis wie auch von Licht und Dunkelheit, um somit auch sein Thema von Menschlichkeit, Barmherzigkeit und dem Verlust der Menschlichkeit durch die bestechenden Bilder zu verdeutlichen. Pochend, pulsierend und pumpend ist dazu John Murphys Score, hier fügt sich alles ein. Diese Kombination von Bild und Musik ist schlichtweg außerordentlich, ob in Schwerelosigkeit des Weltalls oder in der Einsamkeit des Films selbst. Denn hier kommt es zum schwerwiegenden Problem des Films: Er ist mir zu distanziert oder besser gesagt Boyles Betrachtung seiner Charaktere ist mir zu distanziert, sie sind beinahe schon undurchdringlich, trotz durchaus prominenter Besetzung (was nun auch kein Siegel für Empathie ist) und gewisser emotionaler Ausbrüche ihrerseits. Es ergibt sich für mich aus ihnen nie ein Gesamtbild ihres Charakters, sie sind nicht klischeehaft, sondern für mich viel eher gehaltlos und größtenteils flach geschrieben, da kann Michelle Yeoh ihre Blümchen auch noch so lieb haben; aber das ist ja wenigstens noch ein Ansatz. Und natürlich ist Cillian Murphy in der Hauptrolle engagiert, er will ja, leider gibt auch seine Figur, die mich übrigens in ihrer Aufopferungsbereitschaft (und auch ansonsten) stark an die Hauptfigur aus Boyles »28 Days« erinnerte (ebenfalls von Murphy gespielt), nicht viel her. Außer, dass durch sie Boyle kurz seine Themen von Humanität, Unmenschlichkeit und Entmenschlichung anreißen kann, mit Fragen wie: Wie viel ist ein Menschenleben wert? Ein Leben als Opfer für das Wohl der gesamten Menschheit? Wirkliche Tiefe erreicht er bei der schlichten Abhandlung dieser Fragen, die genauso schnell wieder verschwinden wie sie auftreten, nicht.



Nun zum letzten Punkt meines kleinen Gedankenspieles: Ich habe mich immer gefragt (das heißt das eine Mal gefragt), was dieses letzte Drittel sollte? Was steckt dahinter? Welche Diskurse führt Boyle da? Wohin führt er einen? Jetzt habe ich erkannt: Das ist vollkommen ohne Belang. Es passt einfach nicht. Es ist deplatziert, es ist diffus und es gefällt mir nicht, ob Danny Boyle da nun über Gott, die Welt und Sternenstaub spricht, ist mir dann auch absolut egal. Der Inhalt ist ab diesem Zeitpunkt einfach nur noch Banane, vorher mag er zwar auch recht bescheiden gewesen sein, aber da stimmte wenigstens die Verpackung. Die Dezimierung der Protagonisten fällt dazu sowieso ziemlich lieblos aus, in seiner chaotischen und verschwommenen Mystik halte ich diesen Abschnitt einerseits für trashig (für das was Mark Strong da abzieht) und andererseits für konventionell (immer diese selbstlosen Helden), Beigeschmack inklusive. Ich möchte trotz allem ergänzen, dass Boyles Werk ambitioniert und auf eine seltsame Weise (vielleicht auch gerade wegen mancher Defizite) interessant ist als persönliche Genreinterpretation (bzw. Variation; dabei natürlich mit Versatzstücken versehen) des Regisseurs. Dennoch bleibt es dabei ein unförmiges Endprodukt.



5.5 / 10

Autor: Hoffman  


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