Mittwoch, 8. Mai 2013

Godard Retroperspektive #10 - Kritik: Détective (1985)


»Ich werde herausfinden, wer den Fürsten getötet hat.« - Der Satz, der den Startschuss und Aufhänger für das letzte Werk von Godard (wie Colin MacCabe das so schön und reißerisch sagte) gibt, welches im kommerziellen Kino angesiedelt ist, also eine Auftragsarbeit, womit er »Maria und Joseph« finanzieren konnte und irgendwie hat das Ganze wieder was von einem Genrefilm, einem Krimi, angelehnt an den Film noir. Das ist aber wahrscheinlich nur der Aufhänger des Films. Der Handlungsort ist ein Hotel, um welches Godards Protagonisten und Gäste kreisen und in welches sie sich eingenistet haben. Die Detektive, die des Rätsels Lösung suchen: Ein Pilot (Claude Brasseur) und seine Frau, der Boxer und sein Promoter (Johnny Hallyday) und schließlich auch die Mafia, die stechen und bestechen lässt. Ich mag Hotels. Die haben so etwas anziehendes. Wirklich zuordnen kann man das Ganze aber nur reichlich wenig, wenn Godard mal wieder zu fragmentarischen Erzählformen greift, sodass sein Ziel und damit seine Intention schwer zu entschlüsseln sind. Aber Godard scheint sich wieder mit seinem Motiv der Liebe zu beschäftigen, dieses Mal in Verbindung mit der Thematik des Geldes. Eine Frau (Nathalie Baye) zwischen zwei Männern, sie will sich trennen und neu beginnen. Eine Dreiecksbeziehung, wie ein Katz- und Maus- und Ratespiel. Wie ist die Wirkung von Geld auf Liebe und wie beeinflusst Geld den Menschen?



Godards Film berichtet über Geldgeschichten (und wo Geld ist, sind auch Waffen) und über die Zerrissenheit seiner einzelnen Protagonisten, wie dem Boxer der vor einem großen Boxkampf steht, den er gegen sich selbst austragen wird. Er muss also über seinen eigenen Schatten springen und metaphorisch sich selbst überwinden. Das ist ein durchaus interessanter Ansatz, den Godard auch mit so manch skurriler Idee untermauert. Denn auf ungewöhnliche Weise wird trainiert, mit Bällen und Brüsten, belohnt wird dann mit einem brechstangenlangem Stück Schokolade. Ganz interessant ist auch die Bücherobsession der Charaktere, womit Godard auch der Literatur ein Heim in seinem Film gibt. Die Verwendung dieser ist wohl so zu verstehen, dass sie für die Figuren ihre Philosophie oder ihren Lebensweg wiedergeben oder es eben nur ihren Charakter verdeutlicht, weshalb daraus auch öfters von den Protagonisten zitiert wird. Sind die Charaktere etwa Schatten oder Produkte dieser Bücher? Godards Erzählton dabei lässt sich irgendwo zwischen melancholisch, ja sogar etwas lakonisch und absurd einordnen, so steckt sein Film doch voller Gags und Slapstickeinlagen, meistens präsentiert vom Detektiv (aufgeregt: Jean-Pierre Leaud). Besonders Leauds Auftritte sind die humorvollsten (wie das bei einem Godard eben aussieht), eben weil er es schafft diese unterhaltsame Banalität von Godards Humor natürlich wirken zu lassen, indem er skurril durch die Szenerie des Hotels strampelt, um zu beobachten und zu beschatten und damit die Wahrheit zu finden, Godard also gar nicht so unähnlich. Auch wenn der eher die Wahrheit des Films sucht, das heißt bei ihm: Realität abzubilden.



Da fällt mir wirklich als erstes auf, dass Godard hierbei vollkommen auf jedwede Kamerafahrten verzichtet. Die Kamera behält ihre Einstellung im Raum bei, wird nur durch Schnitte neupositioniert und filmt so die Interaktion zwischen den Charakteren. Ist mir hier das erste Mal aufgefallen. Altbekannt sind hingegen Godards Spielereien mit der Synchronität des Tons, auch hier läuft alles auf die Illustration der Wirklichkeit hinaus mit der Tonüberlagerung, damit ist gemeint, dass Godard mehrere Dinge nebeneinander laufen lässt, um den Lärm der Realität in einem Hotelzimmer einzufangen: So etwa ein Mädchen, das Klarinette spielt; ein Mann, der Zeitung liest; eine Frau, die fragt welches Kleid sie anziehen soll und ein Fernseher, der im Hintergrund läuft. All diese verschiedenen Eindrücke, die in einem Moment exakt gleichzeitig ablaufen und mehrere Töne ergeben, die wiederum ein Ganzes ergeben, also etwas völlig neues. Scheinbar will Godard sensibilisieren. Dazu gibt es dann als Zuschlag eine weitere Filmtheorie von Godard, denn beim Theater wird gespielt, während man beim Kino bereits ausgespielt hat, egal ob gewonnen oder verloren, das Spiel ist aus. Leider leidet Godards Werk dann darunter, dass hier so gut wie gar nichts zu Ende geführt wird, kein Konflikt wird durchweg beleuchtet, Ideen kommen und gehen wie sie wollen. Apropos uns fehlt ja noch ein Detail, welches ein Computer ist, der alle Antworten kennt, aber die Eingabe von Liebe verweigert. Und die Lösung ist wie schon bei früheren Werken unerheblich, aber hier pointiert als Irrtum (= Zahlendreher). Mir ist schließlich bewusst, dass Godards Spätwerke mehr als Filmchiffren taugen, da bin ich mit »Détective« sogar ganz zufrieden.




6.0 / 10


Und ein kleines P.S. am Rande: Abschlussbeitrag zur Godard(per)spektive, weitere Filme werden folgen. Truffaut steht schon in den Startlöchern. 



Autor: Hoffman

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen