Mittwoch, 27. August 2014

In the Ghetto - Klassiker der Extraklasse: Vor verschlossenen Türen (1949)



Selten hat ein Film so wild-wirr und stürmisch-entfesselt in den Straßen und der Dunkelheit begonnen wie dieser Film von Nicholas Ray: Schüsse fallen, ein Polizist ist tot, ein Unbekannter flieht, die Menschen versammeln sich, die Polizei rückt an, gesucht wird nach dem flüchtigen Täter, sie nimmt fest, wenn sie kann und unter diesen wird auch ein Junge auf der Straße aufgegriffen, der sofort zum Hauptverdächtigen wird. Dieser Junge ist Nick Romano (= ein Name, der dieselben Initialen aufweist wie der seines Regisseurs Nicholas Ray), der seine Unschuld beteuert und dringend einen Anwalt braucht. Das ist Andrew Morton (souverän: Humphrey Bogart), der den Aufstieg aus seinem sozialen Elend geschafft hat und der den vorbestraften Jungen kennt und dessen Unschuld bezweifelt. Er misstraut ihm, weil es das erste Mal wäre, dass er unschuldig wäre. Bogart wird zum Detektiv, befragt und forscht bei den Zeugen und Freunden nach. Es ist ein heikler Fall, der für Morton und seine Karriere ein Risiko darstellt. Doch er wird überzeugt und hat schließlich auch eine Verantwortung gegenüber dem Jungen. Im folgenden verlagert Nicholas Ray seinen Film in den Gerichtssaal, um dort erst in Bogarts Gedanken einzudringen, um die Geschworenen zunächst zu untersuchen und dann diesen Romanos schwierigen Lebensweg aufzuzeigen, wofür Ray Rückblenden verwendet, in denen Ray vieles, wenn nicht sogar alles ausführlich (aus)erklärt.



Er zeigt die sozialen Probleme auf, als würde er seinen Finger direkt in die Wunde legen. Ambivalenzen sollte man gar nicht erst erwarten, denn Ray legt alles offen: Romanos Familie ist eine Einwandererfamilie, die nach dem Tod des Vaters in die Problemviertel und Slums der Stadt ziehen musste. Der junge Romano ist ein Produkt seiner Umgebung und des Milieus, das ihn verdarb. Auch hier wird der amerikanische Traum zu einer Utopie. Nick Ray zeigt das hier wieder als einen Teufelskreis aus Gewalt, Diebstahl und Kriminalität auf, aus dem es kein Entkommen gibt, wenn man erstmal hineingeraten ist. Dabei setzt Ray starke Akzente, ebenso wie teils bei den Licht- und Schattenkonturen und klagt die amerikanische Gesellschaft offensiv und lautstark an und wird nicht müde zu betonten und zu wiederholen, wenngleich das hier mit viel Engagement und Ehrgeiz vorgetragen wird.  Es ist ein Film, der von den Straßen und der Armut berichtet.


Dabei ist Nick Romano (als Romeo der Straße: John Derek) natürlich auch ein typischer Ray-Charakter. Er ist ein wütender Rebell, der viel erlebt hat und hart sein muss, der kein Verständnis von der Gesellschaft bekam, sondern nur Strafe und Leid, aber in dessen Blicken gleichzeitig noch so eine gewisse zarte Schüchternheit steckt. Somit kann man auch sagen, dass »Knock on any Door« das Gegenstück zu »Rebel without a Cause« in Rays Schaffen bildet, in dem Ray hier die Straßenjungen ergründet. Nebenbei wird auch ein Vater-Sohn-Konflikt zwischen Morton und Romano angerissen. Die Liebe zu einen naiven Mädchen eröffnet (wenn auch nur für kurze Zeit) Träume und Hoffnungen. Er will gut sein, er will es versuchen, doch er schafft es nicht, er kann nicht ausbrechen. Er will vernünftig sein, bleibt aber unvernünftig. So zeigt Ray Romanos Weg auf, bis zu dem Punkt, an dem er nun angekommen ist und verdeutlicht dessen Ausweglosigkeit. Und das auch nochmal direkt im Gerichtssaal, in dem die Gefühle sich zum dramatischen Höhepunkt zuspitzen und zum Ausbruch kommen, während die Vergangenheit dabei noch einmal verdichtet wird. Das Schlussplädoyer bringt es dann nochmal auf den Punkt, dass die Gesellschaft, die sich nicht kümmerte, ebenso schuldig ist wie der unschuldig Schuldige. Das mag mancher zu auffällig-demonstrativ finden, ebenso kann man das aber auch als energisch-bemühtes Raykino bezeichnen, das vermitteln möchte und dessen verzweifelter Kampf dadurch deutlich spürbar wird, mag es auch insgesamt zu überdeutlich werden. Aber man weiß, dass Nick Ray hinter seinem Anliegen steht.



7.0 / 10

Autor: Hoffman 

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