Mittwoch, 26. Juni 2013

Sie werden gerichtet! - Klassiker der Extraklasse: Ein Unbekannter rechnet ab (1974)




Ein mysteriöser Gastgeber lädt zum munteren Schmaus und interpretiert dabei das »Ten Little Indians«-Prinzip für seine schaurigen Zwecke und Regisseur Peter Collinson interpretiert währenddessen seinen Film nach einer Vorlage von Agatha Christie und richtet sie vordergründig für das simple Spannungskino aus. Dieser Teil gelingt ihn aber exzellent mit einer straffen Inszenierung, schmuckvollen Dekors, einem nostalgischen Charme und edlen Bildern. Dabei nutzt Collinson das altbekannte Motiv der Isolation und verfrachtet Christies Inselstoff direkt in die iranische und sandige Wüste zu einem Luxushotel, drum herum nur Sand und Ruinen. Ein Ort, abgeschnitten von der Außenwelt. Ein idealer Platz, um hier spielen und morden zu lassen. Das exotische und orientalische Hotel verzückt da im besonderen, auch im Ausdruck seiner unheimlichen Fremde.

Des weiteren variiert Collinson Christies Lieblingsthema der Schuld, alle Protagonisten sind nun nur Verdächtige, Opfer und Stars (Lom, Attenbourough, Reed, Sommer, de Mendoza, Audran, Aznavour, Fröbe und Celi). Und dazu gibt es noch Orson Welles´s ominöse Stimme, die die Schuld der Anwesenden verkündet. Es folgen Schuld, Anklage, Urteil und Tod. Das Blatt wendet sich, sodass die Schuldigen nun zu den Opfern ihrer Taten werden, da trällert Charles Aznavour als Sänger auch vorher gern nochmal ein Liedchen am Klavier, bevor die romantische Stimmung rapide unterbrochen wird und die Damen und Herren um ihr Leben fürchten müssen. Trickreich erzählt Collinson und fokussiert sich zu jeder Zeit auf den Effekt seines Films, er hantiert mit der primären Ebene des Films, bei welchem Collinson der künstlerische Anspruch so gut wie irrelevant ist und Unterhaltung das Stichwort ist, sodass sich Collinson ganz nach den Schauwerten des Zuschauer richtet. Die Unsicherheit untereinander wird zyklisch immer weiter gesteigert, ob Richter, Arzt, Schauspielerin, General oder Privatdetektiv (Paraderolle: Gert Fröbe, der sogar am nervösesten ist), alle werden sie gerichtet. Direkt nach der Vorlage des heutzutage politisch unkorrekten Zählreims.

Es stellt sich die Täterfrage. Wo ist er im Hotel? Gesucht wird in dunklen Kellern, mit finsterem Schatten, Donner und Blitz und flackernden Lichtern im Rücken. Nirgends wird eine Antwort ersichtlich. Das Verweilen wird zum Geduldsspiel. Das Warten zur Qual. Warten, worauf?! Getötet zu werden? Ein Ausweg gibt es nicht. Die Wüste scheint endlos. Gefangen, wie ein Verurteilter, der auf seine Strafe wartet. So sind es nun Gäste, die auf ihr Ende warten. Statuen, die immer weiter dezimiert werden. Immerhin, da gibt es hier ja noch Billard als Zeitvertreib! Aber auch die Nervosität und Gefühlausbrüche gewinnen überhand, dann das Misstrauen untereinander und dazu noch dieses gespenstische Ambiente. Da hält die Kamera gern Distanz. Das ist ganz einfach ein vordergründiges Vergnügen und zugleich ein makaberer Scherz. Wunderbar!




6.0 / 10

Autor: Hoffman

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