Donnerstag, 29. März 2012

Kurzkritik: "Spun"


Mad, durchgeknallt, ausgeflippt, krank, hyperaktiv, größenwahnsinnig, geschmacklos, vulgär, extrovertiert. "Call ist what you will." Entgeistert und hemmungslos entfesselt von erzählerischen Konventionen rauschen audiovisuelle Eindrücken nur so vorbei, Seh- und Gehörnerven werden strapaziert. Hässlich, bezaubernd, abstoßend und sexy. "Spun" ist das Alles und noch viel mehr, lässt alle technischen Barrikaden fallen, lieber aufgedrehte Sinnesrezeptoren, die bis zum Anschlag und noch weit darüber hinaus stimuliert werden. Wahnwitziges Positionieren diverster Optikspielchen, Platzieren von akustischen Genussmomenten, gerne mal auf Basis einer Agressionen schürenden Lautstärke, kontrolliertes Chaos. 

Åkerlunds Debüt will gesehen werden, will gehört werden, will aufgesogen werden wie das Gift, das in den geschundenen Anatomien von Brittany Murphy, Jason Schwartzmann und Co. wütet. Figurenkonstellationen und -konstruktionen ausnahmelos vereinnahmend und abgefahren aufbereitet, zwischen einem gealtertem Chemikalienfetischist im Cowboy-Look, einem grünem Hund auf dem (Fast-)Sterbebett, zwei Möchtegern-Superbullen in einem sensationsgeilen "Real Cases"-TV-Format, einer gefesselten und mit Isolierband zugeklebten Nutte, einer männerfeindlichen Nachbarin und dem hypernervösen Slacker bemüht man sich um Orientierung. Schwarzhumorig, pervers, ultracool, infantil und irgendwie unbeschreiblich, was einem da um die Birne gehauen wird. Die Netzhaut sollte nach dem Konsum der Filmdroge eine Schonzeit einfordern dürfen, sonst besteht die akute Gefahr irreparabler Schäden.  

"Spun" ist nicht der erste Drogenfilm, aber doch ganz anders als Bisheriges. Denn er wirkt mehr wie ein hundertfach verstärkter Sinneseindruck als eine in sich geschlossene Geschichte. Åkerlund geht es um die physischen und psychischen Reaktionen, um die nervösen Zuckungen, Pupillenweitung und -verengung, Visionen, Fiktionen und Fantasiebeflügelung, nicht so sehr um die sozialen Konsequenzen wie in "Trainspotting" oder "Requiem for a Dream". "Spun" will den Zustand vermitteln, den hier alle durchleben. Du fühlst dich ausgekotzt und bist doch so frei wie noch nie. Unsere Protagonisten teilen aus und stecken ein, vom Cop bis zur Stripperin bauen sie alle ihre bizarren Lebensentwürfe auf dem Stoff mit Suchtgarantie. Keinem Genre verhaftet, eine kunstvolle und realitätsnahe Wiedergabe eines grotesken Charakterhaufens, der sich (zufällig) die Klinke in die Hand gibt, wissenschaftliche Vorträge über die politische Bedeutung von Pussys hält, nur um sich im nächsten Moment in die Luft zu sprengen. Der filmgewordene Drogentrip, finally. 


8.5 / 10

Autor: seven

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